Halbzeit im Rathaus

Wird jetzt zur Fußgängerzone: die Maximilianstraße zwischen Merkur- und Herkulesbrunnen. Angeblich gilt die Veränderung probeweise. (Foto: Wikimedia commons)
Wird jetzt zur Fußgängerzone: die Maximilianstraße zwischen Merkur- und Herkulesbrunnen. Angeblich gilt die Veränderung probeweise. (Foto: Wikimedia commons)

Politik im Wolkenkuckucksheim

Liebe Erdmännchen!

Es wird Bilanz gezogen. Eine vorläufige nur, aber immerhin: Was derzeit in den Augsburger Fraktionsbüros und den Redaktionen abläuft, hat so ein bisschen was von Zwischenzeugnis. Ihr wisst schon: Das war die Zeit, als man als Schüler so ein kleines Zwischenfazit über das Geleistete erhielt, sich entweder gebauchpinselt (Einser), abgewatscht (Fünfer) oder in den Hintern getreten (Sechster) fühlen durfte.

Meine Lieblingszeitung hat in den letzten Tagen in so einer Art Serie mit einigen Artikeln Bilanz gezogen und auf einer Pano-Seite so eine Art Zwischenzeugnisse an die städtischen Referenten verteilt. Wobei die (ehemaligen) Kolleginnen und Kollegen sehr nachsichtig vorgegangen sind. Fast so, als wären da milde Pädagogen am Werk gewesen. Wo es doch kritische Journalisten sein sollten...

So richtig eins mitbekommen hat ohnehin nur der grüne Umweltreferent Reiner Erben, dessen Pleiten-, Pech- und Pannenserie ja nun wirklich niemand mehr schönzureden imstande ist.

Ein nachsichtiges Kritikchen gab es für die grüne Bürgermeisterin Martina Wild, von der in den vergangenen drei Jahren mehr als nur einmal der Eindruck entstand, sie setze mit ihren MannInnen die Agenda, während die schwarze  Mehrheit im Stadtrat sich in der Kunst des Krötenverspeisens übte. Und während die schwarz-grünen Koalitionäre mit kommunalpolitischen Freiübungen dilettierten (und der rot-bürgerliche Rest in Wadlbeißer-Rhetorik), brillierte das Ein-Sparten-Theater „Klimacamp“ mit Ballettvorführungen – dem Herumtanzen auf den Köpfen der vermeintlich im Rathaus Regierenden.

Nicht als Bilanz deklariert, aber eine solche schonungslos vorführend, präsentiert sich heute der Lokalteil meiner Lieblingszeitung. Dort, liebe Erdmännchen, wird die „frohe“ Botschaft verkündet: „Maxstraße wird ab Mai zur Fußgängerzone“. In der kommenden Woche sollen Bäumchen in Pflanztöpfen und Sitzbänke installiert werden, auch eine „kleine Bühne“ ist geplant. Fragt sich nur, wer da sitzen und die bis zum Erbrechen zitierte „Aufenthaltsqualität der Innenstadt“ genießen soll, wenn den Geschäften und Firmen, die das Geld einbringen, Zug um Zug das Wasser abgedreht wird. Schon jetzt gleicht die bestehende Fußgängerzone an manchen Tagen dem Venedig der Pestzeit: Arm an Passanten, die von Schlagloch zu Bodenwelle stolpern, Läden von Billigketten, die Ein-Euro-Schrott verscherbeln. Diese Fußgängerzone, aus der die inhabergeführten Geschäft schon längst verschwunden sind, soll also nun in die noch halbwegs funktionierende Maxstraße ausgedehnt werden.

Das Ganze soll ein Jahr gelten und, so OB Eva Weber (CSU), „ergebnisoffen“ ausprobiert werden. Der AZ-Kommentator sekundiert: „Die Stadt muss zu ihrer Ankündigung stehen, dass der Versuch ein offenes Ende hat. Das erhöht auch die Glaubwürdigkeit, wenn an anderer Stelle die nächsten Verkehrsversuche kommen." Ein Schelm, wer Böses davon erwartet.

Zwei Zeitungsseiten weiter wird dann etwas deutlicher, was in den kommenden drei Jahren bis zur nächsten Kommunalwahl in Augsburg passieren soll: Wenig. In dem Artikel darf OB Weber den finalen Abschied vom einst als verkehrsplanerische Heldentat gepriesenen Fünf-Minuten-Takt im ÖPNV verkünden (und ein neues Tarifsystem gleich mit). Weber sprach auf Nachfragen auch an, was in der politischen Diskussion der letzten Monate überdeutlich wurde: Das einst mit heißer Nadel gestrickte schwarz-grüne Bündnis im Rathaus bröckelt, je näher die Wahl rückt. „Die Anti-Auto-Diskussion nervt extrem", so Weber laut AZ. Das Mitleid mit der Genervten hält sich jedoch in Grenzen: Schließlich war nicht zuletzt sie der Motor, als nach der vergangenen Kommunalwahl SPD ausgebootet, die Grünen und ihre politischen Sekundanten hingegen für staatstragend erklärt wurden. 

Wenigstens scheint sich bei der OB die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass die Stadt in den kommenden Jahren kein Geld dafür haben wird, weitere ideologische Narreteien aus dem politischen Wolkenkuckucksheim voranzutreiben. Sie hat (laut AZ-Zitat) stattdessen erkannt: Die Bürger wünschten sich nach den Jahren der Pandemie, dass die Dinge einfach funktionieren. Gut gebrüllt, Löwin! Doch wie das realiter aussieht, kann man dann auch gleich in der heutigen AZ nachlesen: Die Folgen des Umstands, dass in einigen Stadtvierteln wochenlang die Mülltonnen nicht geleert wurden und es in Augsburg teilweise aussah wie in neapolitanischen Elendsvierteln, sollen nun bald beseitigt werden. Chapeau!

Während der Ärger über nicht funktionierende städtische Serviceleistungen anhält, feiert das Augsburger Klima-Gaga erneut fröhliche Urständ'. Am Samstag wollen sogenannte „Verkehrswendeaktivisten“ die Kreuzung am Roten Tor (eine der verkehrsreichsten in Augsburg) in ein kleines Radlerparadies verwandeln. Vermutlich aus der Erkenntnis heraus, dass Radfahren die Lösung aller Probleme der Menschheit ist. Ausgenommen derer natürlich, die noch arbeiten und Geld für ihren Lebensunterhalt verdienen wollen. Aber: Drauf gesch...! Wenn ihr Hunger habt, weil euer Job weg ist, fresst doch einfach euer Fahrrad!

Dem allem begegnet die OB mit Philosophie. Es werde in den kommenden Jahren eine Herausforderung sein, das Miteinander in der Stadt zu moderieren, wird sie in der AZ zitiert: „Es gibt keine Selbstverständlichkeiten mehr." Stimmt. Zum Beispiel auch nicht die früher selbstverständliche Übung, sich nach einer Amtszeit als Stadtoberhaupt wieder zur Wahl zu stellen. Weber lässt eine Antwort auf diese Frage folgerichtig auch offen.

Könnte ja auch durchaus sein, dass in der CSU erkannt wird, dass es ein Fehler war, die SPD und die bürgerliche Mitte aus der Verantwortung für die Stadt herauszudrängen. Immerhin war es neben der CSU (und der CSM, die damals noch eine andere war als heutzutage) die SPD, die früher trotz unterschiedlicher Sichtweisen Verantwortung für eine positive Entwicklung der Stadt übernahm. Mit einer OB Weber wird sich dieser Teil der Stadtpolitik sicher nicht mehr integrieren lassen. Das müssten dann andere richten. Einer wie Ordnungsreferent Frank Pintsch steht dafür schon in den Startlöchern. Die Augsburger Stadtpolitik – das, liebe Erdmännchen, ist sicher –  wird also spannend in den kommenden drei Jahren.

Fortsetzung folgt.

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