Jahresrückblick

2022 ist abgehakt. Ob das Folgejahr besser wird? (Foto: Jingda Chen, unsplash.com)
2022 ist abgehakt. Ob das Folgejahr besser wird? (Foto: Jingda Chen, unsplash.com)

2023: Alles soll besser bleiben

Dieter. Beim Übergang von 2019 ins Folgejahr wurde in nicht wenigen Kolumnen, Kommentaren und Veröffentlichungen Bezug auf „die goldenen 20er Jahre“ genommen. Natürlich nicht, weil 2020 etwa Charleston-Tanzen wieder aktuell gewesen wäre, oder weil Bubikopf und meterlange Zigarettenspitzen auch bei Damen der 2000-er Jahre en vogue gewesen wären. Es sprach aus dem Vergleich halt nur die zutiefst menschliche Sehnsucht, es möge alles so bleiben, wie es ist. Und wenn Veränderung schon sein müsse, dann Bitteschön zum Besseren. Nett gedacht.

Dass „nett“ die kleine Schwester von „Scheiße“ ist und daher gar nix besser werden muss, hätte man aber auch ahnen können. Schließlich waren schon die 20-er Jahre des 20. Jahrhunderts nur ein kurzes Aufblitzen von Liberalität und Lebensfreude, bevor es im Folgejahrzehnt in den Nazi-, Weltkriegs- und Massenvernichtungs-Orkus ging. Dass es von den 20-ern der Jetzt-Zeit noch mehr nach unten geht, mag man sich eigentlich gar nicht vorstellen. Denn die dystopischen drei ersten Jahre der Zwanziger waren ja mit Corona, Ukrainekrieg und Klimagedöns schon schlimm genug. 

Enzo. Tja Herrchen, hättest du mal im Blog etwas mehr gebellt. Jede Woche wolltest du in 2022 was absondern. Haste aber nicht geschafft, wuff. Aber ich geb's ja zu: Ich belle auch nur mit, wenn es etwas zu bellen gibt. Und friedlich-still an einem Knochen nagen, das hat schon auch was, wuff! Aber nun lass lesen, deinen Rückblick.

Januar

Dieter. Die Corona-Beschränkungen und der Protest dagegen bestimmten im Januar 2022 die Schlagzeilen. Keine Woche verging, in der nicht Querdullis, rechte Rattenfänger und sonstige verquere Politclowns gegen die Einschränkungen durch die Coronamaßnahmen demonstrierten. Die Auseinandersetzung wurde dabei immer radikaler.

Einen traurigen Höhepunkt nahm die Entwicklung im Januar: Zwei Journalistenkollegen des Landsberger Tagblatts wurden von Teilnehmern einer Corona-Demo eingekesselt, angegriffen und verletzt, als sie über den Protestmarsch  berichten wollten. Nur das schnelle Eingreifen der Polizei verhinderte, dass die Situation weiter eskalierte.

Dass die Lage rund um die „Spaziergänge“ ausufern würde, war eigentlich so absehbar wie die nächste Tabaksteuererhöhung. Weil neben den ja ganz offensichtlich gewaltbereiten, hitlergrußzelebrierenden Dummtorten auch noch ein paar noch halbwegs als „normal“ zu bezeichnende Leute – Vertreter der „German Angst“-Fraktion, Esoteriker mit Hang zum Ommm, Greta-Jünger und „Die-Kiiinder!“-Jammerer – im Pulk mitmarschierten, verweigerten sich politische Gutmenschen der Konsequenz: Während Otto Normalbürger im Alltag zielgerichtet in die Bußgeldfalle stolperte, wenn er mal seine FFP2-Maske zuhause vergaß, wenn Gastronomen in die Insolvenz getrieben wurden, weil Tischabstände millimetergenau nachgemessen und strikt durchgesetzt wurden und ihre Lokale dadurch halbleer blieben, wenn Clubs und Diskotheken monatelang zu waren und sich junge Leute deshalb ungeschützt und ohne die geringste Aufsicht trafen, schien riskantes Verhalten bei den „Spaziergängen“ zum Konzept zu gehören: Auf den Fotos solcher Veranstaltungen waren Masken so gut wie nie zu sehen, kein Mensch hielt Abstände ein – und auch Kinder wurden mit auf die Demos geschleppt und durften Parolen mitplappern, die sie mutmaßlich noch nicht einmal im Ansatz verstanden.

Enzo. Ich wollte ja immer meinen Protest gegen die Querbeller ausdrücken, indem ich ein paar Häufchen auf die Demo-Strecken setzte. Aber was machte Herrchen da? Packte seine Tütchen aus und beseitigte meinen Protest, wuff.

Februar

Dieter. Nicht erst seit Erscheinen des Buches von Paul Watzlawick weiß man: Jedes Schlechte hat auch sein Gutes. Wenn man über diese These im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie nachdenkt, landet man fast automatisch bei einem Thema, mit dem der Augsburger seit jeher ambivalent umgeht: dem Fasching.

Mit der organisierten Fröhlichkeit brauchte sich der bayerische Schwabe im Jahr 2022 aber nicht herumzuschlagen: Coronabedingt fiel der Fasching aus. War vielleicht auch besser so: Das zeigen denkwürdige Vorfälle wie jener aus den 1960-er Jahren, bei dem ein aus ein paar dekorierten Trambahnwagen bestehender, mickriger Faschingszug von den humorbefreiten Datschiburgern mit Steinen beworfen wurde… Solches blieb uns „dank“ Corona dann doch erspart.

Enzo. Wieso kein Fasching? Ich habe im Februar, und nicht nur dann, jede Menge Pappnasen herumlaufen sehen, wuff!

März

Dieter. „Klimacamp: Stadt droht Schlappe vor Gericht“‘, titelt die Augsburger Allgemeine Anfang März im Lokalteil. Anlass war eine mündliche Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München, in der es um die von der Stadt im Juli 2020 verlangte Räumung des „Camps“ zwischen Perlach und dem historischen Rathaus gehen sollte. Ging es aber nicht. 

Das lag wohl daran, dass die – sowieso nur widerwillig eingelegte – Berufung gegen ein Urteil des Augsburger Verwaltungsgerichts, in dem die sogenannten Klimaaktivisten obsiegt hatten, äußerst mangelhaft begründet war. So dilettantisch, dass laut AZ der Vorsitzende Richter Reinhard Senftl der Stadt empfahl, die Klage zurückzuziehen. Was diese natürlich nicht tat, denn im Gegensatz zu privaten Klägern gehen den Kommunen die Ressourcen – Bürgers Steuergelder – ja nie aus.

Festzustehen scheint, dass die Argumentation der Stadt vor Gericht in sich zusammenfiel wie ein Kartenhaus. Nachzuweisen wäre gewesen, dass eine (grundgesetzlich und versammlungsrechtlich geschützte) Demonstration nicht durchgehend stattgefunden hat. Wozu es genauer Beobachtungen bedurft hätte – und nachprüfbarer Fakten. Statt dessen lieferte die Stadt etwas, das die gegnerische Anwältin leicht hämisch als „hausmeisterhafte Wahrnehmungen nach dem Motto ,Ich habe irgendwas gesehen‘ von städtischen Bediensteten“ bezeichnete. Was es irgendwie schon trifft: Denn die Anwältin stellte fest: „Die Stadt hat sich nicht viel Mühe gegeben.“ Das könnte aber auch Kalkül gewesen sein. Im „schwarzen“ Teil der Stadtspitze änderte sich die Haltung zum sogenannten Klimacamp erst, als die Klima-Krawallis eine Bürgerversammlung mit OB Eva Weber sprengten. An die Grenzen zur Aufgabe führte die Klimabewegten schließlich nur die eigene Hybris: Wegen vielfältiger anderer Demo-Verpflichtungen war im Dezember eine permanente Präsenz im Camp offenbar nicht mehr gewährleistet.

Enzo. Na, dann muss ich im nächsten Jahr ja nichts mehr zu dem Thema bellen. Abgehakt, wuff!

April

Dieter. In einer Debatte über die Parkgebühren in Augsburg fiel Anfang April ein verräterischer Satz: OB Eva Weber (CSU) hatte sinngemäß gesagt, dass Innenstadtkunden, die keine 2,60 Euro Parkgebühren pro Stunde zahlen könnten/wollten, wohl nicht die Kunden seien, die die Innenstadt brauche. 

Webers Satz war natürlich eine Steilvorlage für ihre Gegner der Sozialfraktion aus SPD und Linker:  Fraktionsvorsitzender Dr. Florian Freund (SPD): „Wir dachten, wir hören nicht richtig in der heutigen Stadtratssitzung." Im Social-Media-Auftritt der Sozialfraktion heißt es dazu: „Die Aussage von Eva Weber zeigt, wie abgehoben die Diskussion in der aktuellen Stadtregierung ist. Die Innenstadt gehört allen. Wer sie stärken will, muss dafür sorgen, das sie für alle erreichbar ist."

Die Faktenlage sieht allerdings anders aus. Längst ist im Umland der Eindruck entstanden, mit dem Pkw in Augsburg nicht mehr willkommen zu sein, während gleichzeitig großflächiger Einzelhandel in Randlage und die Umlandkommunen mit optimaler Pkw-Erreichbarkeit um Kunden werben. Und in Augsburg, wo auch in bester Innenstadtlage immer mehr Läden leerstehen und wo selbst in der Kern-Fußgängerzone die Frequenz ins Bodenlose sinkt, salbadert man vom Stärken der „Aufenthaltsqualität". Was ungefähr so zielführend ist wie der Versuch, Putins Invasion der Ukraine durch das Werfen mit Gendersternchen zu stoppen.

Beim Blick in Augsburgs Zukunft kann einem da angst und bange werden. Denn natürlich finanziert sich die Stadt auch mit dem Geld, dass von Auswärtigen hier ausgegeben wird.

Enzo. Stadt? Da muss ich nicht hin. Gassi ist im Siebentischpark viel schöner, und meine Klamotten  kauft Herrchen im Netz, wuff!

Mai

Dieter. „Enzos Hundeleben“ ist nur ein kleiner Blog mit wenigen Nachrichten, viel Meinung und geringer Reichweite. Dennoch konnte man in Mai hier erstmals und exklusiv im O-Ton lesen, was der Hauptbeteiligte in der sogenannten Überstundenaffäre zu sagen hatte.

„Du bist der erste Journalist, der versucht Licht ins Dunkel zu bekommen. Nicht als Lobeshymne, das wäre unangebracht, sondern sich einmal die Mühe zu machen, Fakten zu recherchieren. Pro und Contra aufzuarbeiten und am Ende der Recherche sich eine Meinung zu bilden", so der Baureferent in einer Nachricht, in der er erklärte, wie es zu dem Überstundenberg kam, der bundesweit für Schlagzeilen sorgte.

Enzo. Normalerweise bellt ja kein Hund danach, wenn Herrchen was in seinem Blog schreibt. Mit der Merkle-Sache war das schon anders. Losgegangen ist es mit einem Artikel in Herrchens Lieblingszeitung: Die hat natürlich über den Fall berichtet und dabei „Enzos Hundeleben“ und Herrchen zitiert. Das war aber noch nicht alles. Kurz darauf hat die Süddeutsche Zeitung nachgezogen, wo einer sogar über mich geschrieben hat, dass ich mich nicht vegan ernähren möchte. Gut, dass das die Welt jetzt weiß, wuff! 

Noch ein bisschen mehr Wellen geschlagen hat dann ein Bericht vom Bayerischen Rundfunk, in dem es hieß: „Gerd Merkle selbst steht für Interviewanfragen nach wie vor nicht zur Verfügung. Auch Anfragen des BR lehnt er mehrfach via Pressestelle mit Verweis auf zu dichte Terminlage ab. Dafür steht er dann aber dem Betreiber eines Internetblogs Rede und Antwort, weil dieser der erste Journalist sei, ,der versucht Licht ins Dunkel zu bekommen', so wird Merkle zitiert." Und auch die Frau Leinfelder brachte  dann etwas Licht ins Dunkel – mit Hilfe von Enzos Hundeleben. Die musste auch Siegfried Zagler, ein anderer Blogger, für seinen Artikel in der DAZ – einer Internetzeitung – in Anspruch nehmen. Natürlich war der nicht Herrchens Meinung – aber das ist normal. 

Blöd war nur die BLÖD-Zeitung oder wie die heißt. Die haben unseren Blog zwar abgekupfert, aber nicht mal erwähnt: „Aus, Pfui!“ möchte ich da bellen. 

Herrchen hat sich jedenfalls gefreut wie ein Schnitzel, dass unsere Zugriffszahlen in schwindelnde Höhen geklettert sind. Bis zu 8000 Aufrufe waren es an einem einzigen Tag, und das hat Herrchen schon wieder geärgert. Der hatte ja versprochen, den Blog werbefrei zu halten. Also hatte er nix von dem Hype. Doofes Herrchen, wuff!

Juni

Dieter. Im Juni trat es deutlich zutage: Der politische Rückhalt für die Theatersanierung in Augsburg bröckelt. Als der Augsburger Stadtrat am 29. Juli 2015  den Grundsatzbeschluss zur „Generalsanierung und Neukonzeption des Theaterstandortes Augsburg und zur Regelung der Interimsphase“ für damals geschätzte 189 Millionen Euro fasste, waren nur 55 der insgesamt 61 Stimmberechtigten (60 Stadträte plus der OB) anwesend – über die Gründe der Fehlenden darf spekuliert werden. 48 Stadträte stimmten für die Sanierung, sechs dagegen. Das Protokoll verzeichnet darüber hinaus eine Stimmenthaltung.

Schon vor der Grundsatzabstimmung hatte es kritische Beiträge über die Investitionshöhe gegeben, ein Stopp der Planungen war gefordert (und abgelehnt) worden. Gegen die geplante Sanierung sollte auch ein Bürgerbegehren in Stellung gebracht werden – beflügelt ausgerechnet auch von Kulturschaffenden der „alternativen“ Kulturszene, was immer damit in Augsburg gemeint sein mag. Erfolgreich war es nicht. 15 Monate nach dem Grundsatzbeschluss  wies der Stadtrat das Bürgerbegehren als unzulässig zurück, da die „Initiative Kulturelle Stadtentwicklung" nur 8328 von den erforderlichen 10.562 Stimmen erbringen konnte. 

Man kann damit feststellen, dass die Sanierung des mittlerweile zum Staatstheater avancierten Hauses von einer breiten Basis der Stadtgesellschaft getragen wurde.Rund fünfeinhalb Jahre und eine Kommunalwahl später ging es um Kostensteigerungen und die Planung für die zweite Spielstätte. Diesmal standen nur noch 37 Stadträte hinter den Planungen, 18 stimmten dagegen, darunter auch etliche aus der SPD, die den Grundsatzbeschluss noch mitgetragen hatte. Ihr Hauptargument: Viele andere dringende Vorhaben der Stadt seien finanziell durch das Engagement fürs Theater auf lange Zeit blockiert. Das allerdings hätte man schon 2015 wissen können – und dass es zu Baukostensteigerungen kommen würde, auch.

Enzo. Also ich als kleiner, bodenständiger Hund frage mich ja immer, wozu man Summen fürs Theater ausgibt, mit denen man Megatonnen von Leckerli kaufen könnte. Und wozu überhaupt Theater, wuff? Wenn ich Theater haben will, setze ich mich neben Herrchen ins Café und höre zu, was an den Nachbartischen gebellt wird. Das ist Entertainment, wuff!

Juli

Dieter. Der Juli ist der Beginn des sogenannten „Sommerlochs“ – also jener Zeit, die zwar arm an echten Nachrichten ist, dafür aber reich an vermeintlicher „News“ Heuer war es der Kampf der Tugend-Taliban gegen „Layla“. Unter diesem Stichwort riefen erneut gender- und political-correctness-bewegte Cerebralasketen nach der Verbotskeule – und auf der kommunalen Ebene fanden sich natürlich öffentliche Institutionen, die sich nicht entblödeten, das epochale Werk von „DJ Robin & Schürze“ auf den Index ihrer Bierzelte zu setzen. Sogar der Bundesjustizminister meldete sich  zu Wort. „Man muss Schlagertexte nicht mögen. Man kann sie sogar doof oder geschmacklos finden. Sie aber behördlich zu verbieten, finde ich, ist eins zu viel", schrieb der FDP-Politiker Marco Buschmann bei Twitter. Er bekam Rücktrittsforderungen dafür.

Befeuert wurde die seltsame Debatte um einen Proll-Song, die ja eigentlich durch eine Verbotsentscheidung der Stadt Würzburg aufkam, durch eifrige Lokaljournalisten, die landauf-landab nachfragten, wie es denn in Sachen Layla rund um ihren Kirchturm stehen möge. Auch in Augsburg fragte meine Lieblingszeitung nach und soll angeblich die salomonische Antwort erhalten haben, auf dem am 26. August beginnenden Plärrer träten nur Bierzeltbands mit Niveau auf. Hört sich gut an, deckt sich aber keinesfalls mit meinen frühkindlichen Plärrererfahrungen...

Das eigentlich Erschreckende an dem Layla-Hype: Er ist ein Zeichen für die schwindende Toleranz in der Gesellschaft. Denn zur Toleranz gehört nicht nur, sagen zu dürfen, dass „Layla“ – dessen Vokabular vermutlich weit harmloser ist als das eines durchschnittlichen bundesdeutschen Achtklässlers – sexistischer, primitiver Quatsch ist. Zur Toleranz gehört auch, hinzunehmen, dass irgendwelche Cerebralasketen in Bierzelten diesen Quatsch besoffen grölen.

Enzo. Ich bin empört, wuff! Ich finde Layla ganz süß. Sie hat so weiche Schlappohren, blondes Fell und große, braune Augen und ist so traurig, weil gerade jeder lacht, wenn ihr Frauchen nach ihr ruft. Das hat Layla nicht verdient. Und der Song gehört verboten, grrrrr.

August

Dieter. Auf der Grafik links sind alle Länder dieser Erde markiert, die eine Gasumlage für notwendig erachteten. Diese im August diskutierte (und schlussendlich verworfene) Umlage war Produkt einer nach Richtung, Maß und Ziel suchenden Regierung:  Scholz & Co. irrlichterten zwischen Gender-Gaga und Corona-Zickzack über ein politisches Schlachtfeld, in dem die Einschläge echter und vermeintlicher Katastrophenmeldungen im Minutentakt immer näher kamen: eine Regierung, getrieben von der Nachrichtenlage. Das damalige Herumgeeiere der bundesrepublikanischen Führungskräfte hätte eine Steilvorlage für die Opposition sein können. Doch die präsentierte sich in ähnlich desolatem Zustand wie das Regierungslager. 

Beim Wahlvolk hatte dies eine (bis heute anhaltende) Wirkung, wie ich sie in über 40 Jahren als Beobachter von Politik nie erlebt habe: Die Politikverdrossenheit breiter Schichten ist einem latenten Politikerhass gewichen, der im Internet und an den Stammtischen unverhohlen Platz greift.

In Internetforen und Sozialen Medien stößt man seit dem Sommer ständig und vermehrt auf Beiträge oder Kommentare, die vor ein paar Jahren noch den Verfassungsschutz auf den Plan gerufen hätten. Vor allem ostdeutsche Autoren rufen da, geprägt von der Querdully-Propaganda aus Pandemiezeiten,  nach einer Wiederbelebung der Montagsdemonstrationen, diesmal aber mit dem erklärten Ziel des Umsturzes und unverblümten Aufrufen zu Gewalt. 

Bis zum Jahresende hat das Vertrauen in den Staat und seine Institutionen weiter gelitten, wie aktuelle Untersuchungen zeigten. Alles in allem verheißt diese Entwicklung nichts Gutes.

Enzo. Was mir vom August im Gedächtnis ist? Nur eines: Es war so heiß, dass ich als kleiner Hund kaum Lust auf Gassi hatte. Und auf Politik schon gar nicht, wuff!

September

Dieter. Eine äußerst ernsthafte Diskussion über die Abstammung und ihre Folgen mussten Enzo und ich im September führen. Es ging um den Willen – und zwar den des Hundes. Enzo machte geltend, dass Frenchies heutzutage zwar Couch- und Fernsehhunde seien, trotzdem aber auf eine glorreiche Vergangenheit als Jagdhunde zurückblicken könnten. Er zitierte auch die Deutsche Jagdzeitung „Der Hund hat immer Recht!“ und verstiegt sich zu dem Bonmot  „Eine französische Bulldogge führt keine Kommandos aus, sie zieht sie in Erwägung.“ Immerhin konnte ich ihm zugestehen, dass die Französische Bulldogge 1889 als eigenständige Rasse, die wegen ihrer liebenswürdigen Art besonders beliebt ist, anerkannt wurde.

Enzo. Ist ja gut, Herrchen! Ich gebe ja zu, dass ich manchmal ein ziemlicher Starrkopf bin. Aber musstest Du mir deshalb vorhalten, dass zu meiner Ahnenreihe auch Möpse gehören? Das hätte jetzt ja wirklich nicht sein müssen, wuff!

Oktober

Dieter. „Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind und urteilte wie ein Kind. Als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was Kind an mir war“, heißt es in der Bibel in den Korinther-Briefen (1  Kor  13,11). Das liegt nicht mehr so ganz im Zeitgeist, weswegen das Infantile im vergangenen Jahr in der Politik Konjunktur hatte. Allen voran marschierte der große Philosoph Olaf Scholz, seines Zeichens Bundeskanzler von grün-gelben Gnaden, der den neuen Charme der Infantilität für sich entdeckte: Mit einem „Doppel-Wumms“ wollte er die Folgen der Energiekrise fürs kostensteigerungscujonierte Volk abmildern. Um dem Stimmvolk zu verdeutlichen, was für ein Dynamiker sich da für sein Wohlergehen aufarbeitet, musste es schon etwas Drastisches sein, das halt auch der dümmste Wahlzettelbekreuzer kapiert. 

Ganz anders gingen die Grünen das „Projekt Infantilisierung“ an. Sie haben es zum Programm gemacht – mit der Forderung, schon Zweijährigen das Wahlrecht einzuräumen. Für die Grünen-Abgeordnete Emilia Fester „sollte jeder wählen dürfen, der wählen will.“ Und Finanzminister Christian Lindner soll zumindest schon bei heftigem Aufstampfen in Kabinettssitzungen ertappt worden sein. 

Wer vermutete, die Kritik der Infantilisierung treffe nur die Koalitionäre, musste ganz stark sein. Das konnten 2022 die Anderen auch. Von der AfD muss explizit nicht die Rede sein, dort ist das Infantile Programm. Aber auch die „Schwarzen“ hatten Anteil an der Verkindlichung  der Politik. Man gedenke nur des anlässlich der Merkel-Nachfolgediskussion eröffneten C-Partei-Sandkastens, in dem Klein-Friedrich Merz zornig mit dem Fuß aufstampfte, während er von Klein-Markus Söder mit Sandförmchen beschmissen wurde. Für Klein-Friedrich hat sich das Aufstampfen freilich gelohnt. Wahrscheinlich hatte er in der Bibel bei Matthäus 18:3 nachgelesen: „Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.“

Naja, für Merz hat's ja geklappt.

Steht aber auch schon in der Bibel (Psalm 8:3): „Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet.“

Enzo. Also ich hab gaaaar nichts dagegen, wenn Jüngere mehr Einfluss bekommen. Zum Beispiel fünfjährige Frenchies. Die können euch schon sagen, wohin der Hase läuft. Und endlos umeinandergemosert wie bei euch wird in unseren Rudeln auch nicht. Ein kleiner Biss ins Ohr oder in den Hintern – und schon weiß der Hund, was Sache ist, wuff!

November

Enzo. So, jetzt darf ich mal ran im Rückblick. Das liegt daran, dass Herrchen ein. bescheidenes Herrchen ist, das nicht über sich selbst schreiben will. Dann mach ich das halt, wuff! Die zwei dynamischen Herren im Bild sind nämlich Verleger, und die haben Herrchen einen neuen Nebenjob verschafft. Daniel Biskup (60, links) und Christian Hutter (45, rechts daneben) haben nämlich das Augsburger Magazin edition:schwaben übernommen. Und Herrchen darf dafür alle drei Monate eine Kolumne schreiben und die Politiker ärgern. Das tut er ja immer schon gerne, wuff.

Und weil er außerdem für das Heft auch noch eine Kulinarik-Serie schreiben wollte, blieb ihm im November wenig Zeit Anderes. Dafür ist der Artikel über Benjamin Mitschele und sein Restaurant Alte Liebe in Augsburg  ziemlich gut geworden. Auch wenn ich zum Schlemmer-Termin wieder mal. nicht mitdurfte. Für Enzos Hundeleben hatte Herrchen im November keine Zeit.  

Jaja, ich hätte ja hin und wieder in seiner Vertretung was im Blog bellen können. Aber ich will ihm ja nichts wegnehmen. Vor allem keine Arbeit, hihihi.

Dieter. Ja, lieber Enzo, danke für deine Kritik. Besser hätte ich es auch nicht bellen können. Nur noch was zur Ergänzung: Es hat Spaß gemacht, wieder mal für Print zu schreiben. Und für Enzos Hundeleben hat es ja doch was gebracht: Meine Beiträge für edition:schwaben erscheinen nämlich immer auch hier.

Dezember

Dieter. Eigentlich müsste das für mich ja ganz normal sein: Man hat einen Artikel geschrieben, er ist gedruckt worden und auf dem Markt. Und trotzdem war im Dezember das Erscheinen der ersten Nummer von edition:schwaben, die von Daniel Biskup und Christian Hutter verantwortet wird, eine mentale Premiere.

Es ist ein schönes, interessantes Heft geworden, was am allerwenigsten an meinen Beiträgen dazu liegt. In der aktuellen Ausgabe der Hochwert-Publikation sind unter anderem ein Porträt der Äbtissin von Oberschönenfeld, Gertrud Pesch, sowie eine augenöffnende Fotoreportage über die Suche schwäbischer Firmen nach Fachpersonal zu entdecken.

Weitere interessante Themen sind ein Feature über die Marketingagentur „Any Agency“, ein Bericht über das Gipfeltreffen der schwäbischen Theaterintendanten sowie eine neue Folge des ökoreport:schwaben, die sich mit dem Wintertourismus beschäftigt.

 

edition:schwaben ist nur im Abonnement (mit vier Ausgaben plus einem Themen-Sonderheft pro Jahr zum Preis von 40 Euro) erhältlich.

 

Enzo. So, das hat Herrchen geschickt hingedreht: Jetzt darf ich das Schlusswort zum Jahr 2022 bellen. Für mich war es ja ein gutes Jahr. Als Hund hat man ja keine soooo großen Erwartungen. Aber für die Menschen zählt es dann doch eher zu den Jahren, die sie mit dem vergleichen, was ich beim Gassi hinterlasse und was sie in kleine Plastiktütchen einfüllen und wegwerfen. Ja, wuff, 2022 ist Vergangenheit. Und ob 2023 besser oder schlechter wird? Da haben auch Leute, die viel mehr wissen als ein kleiner Frenchie, keine schlüssige Antwort darauf. Die gibt es vielleicht noch am ehesten in Köln, im Karneval: Et iss wie et iss, et kütt wie et kütt und et hätt no imma joot jegange. Wuff.

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