Kassensturz

Der Bund der Steuerzahler hat sein „Schwarzbuch 2022“ herausgebracht. Augsburg kommt darin gleich zwei Mal vor.
Der Bund der Steuerzahler hat sein „Schwarzbuch 2022“ herausgebracht. Augsburg kommt darin gleich zwei Mal vor.

der, den keiner mag

Die Erkenntnis, dass ein Hund klüger sei als ein Mensch, da er sich ja von anderen seine Steuer zahlen lasse, ist so neu nicht: Der Spruch stammt von Robert Lembke (1913 – 1989), der den Deutschen als Moderator von 337 gesendeten Folgen des heiteren Beruferatens „Was bin ich“ bekannt ist. Nicht bekannt ist den meisten, dass der Journalist Lembke auch ein begnadeter Satiriker und Verfasser von Aphorismen war.

Wer Satiriker ist, der muss sich irgendwann zwangsläufig beruflich mit dem Thema Steuern befassen. Wer Journalist ist übrigens auch. Meist ist das ein staubtrockenes Thema, das in den Redaktionen noch staubtrockener abgehandelt wird. Außer einmal im Jahr. Dann nämlich, wenn der Bund der Steuerzahler sein sogenanntes „Schwarzbuch“ veröffentlicht, in dem er auf vermeintliche oder tatsächliche Verschwendung öffentlicher Gelder hinweist. Da wird es dann unterhaltsam, weil der Steuerzahlerbund in Permanenz und Penetranz geflissentlich Klischees bedient wie das von überbezahlten Beamten oder übertrieben luxuriösen Bauprojekten.

Im Schwarzbuch 2022, Mitte Oktober vorgestellt, sind zwei Punkte aufgeführt, die – obwohl schwäbischer Provenienz – zur sprichwörtlichen schwäbischen Sparsamkeit so gar nicht passen wollen. Zum einen ist dies die Verlängerung der Straßenbahnlinie 3 von Augsburg bis Königsbrunn um 4,3 Kilometer. Etwas weniger als die Hälfte der Strecke liegt auf Königsbrunner Gebiet, wo ein herkömmliches Rasengleis verlegt und Lärmschutzwände errichtet wurden, wobei die bescheidenen Königsbrunner für 3300 Euro gekauften Grassamen selbst aussähten und neben der Strecke Lärmschutzwände für 1,6 Millionen bauten. Die aufhauserischen Augsburger dagegen hätten sich einen 137.000 Euro teuren Rollrasen aus Nordsachsen gegönnt und für fast zwei Millionen ein neuartiges „Rasengleis mit hochliegender Vegetationsebene“ und aufwändiger Schienenisolierung gebaut. Damit sei – pfui Deibel, Datschiburg! – der Bau der kürzeren Trasse teurer und verursache zukünftig auch noch höhere Unterhaltskosten.

Der zweite Steuerzahler-Kritikpunkt befasst sich mit der „causa Merkle“: Der Baureferent der Stadt Augsburg hatte von 1994 bis 2008 in seiner früheren Eigenschaft als Verwaltungsangestellter im Stadtplanungsamt über 4000 Überstunden angehäuft – mit Einverständnis seiner Vorgesetzten. Da er 2023 in den Ruhestand treten will, forderte er die Auszahlung der Überstunden – rund 200.000 Euro. Dagegen erhob sich, nachdem die Entscheidung in den zuständigen Gremien ohne Gegenwind in aller Stille gefallen war, lautstarker Protest und ein wahrer Shitstorm in den Medien. Der freilich nichts bewirkte, außer der öffentlichen Demontage eines engagierten und anerkannten Fachbeamten.

Warum der Steuerzahlerbund diesen nicht ganz leicht zu verstehenden Fall überhaupt aufgriff, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Denn verschwendet  wurde hier gar nichts: Merkle hat die Arbeitsstunden tatsächlich geleistet (und mit Sicherheit noch nicht einmal alle aufgeschrieben). In dieser Arbeitszeit hat er außerdem Projekte an Land gezogen, die der Stadt langfristig erhebliche Einnahmen bringen werden. 

Ähnlich substanzlos ist die Steuerzahler-Kritik in Sachen Rasengleis, denn den vergleichsweise geringen Mehrkosten steht eine Reihe von Vorteilen der Augsburger Lösung gegenüber. Sie gegeneinander abzuwägen, ist eindeutig Sache der Kommune – und nicht die eines Vereins, dessen Methoden, sich in die Politik einzumischen, in den letzten Jahren ohnehin in Verruf gekommen sind.

Schon vor zehn Jahren ätzte beispielsweise das Nachrichtenmagazin Spiegel: „Schon seit Jahren beklagt sich der Bundesrechnungshof darüber, dass sich nicht immer alle Vorwürfe auch durch Fakten erhärten ließen. ,Die Milliardensummen, die angeblich verschleudert werden, sind hochgerechnete Zahlen und nur zu einem sehr geringen Teil belegt‘, sagt Bundesrechnungshof-Präsident Dieter Engels. Unter Politikern hat der Steuerzahlerbund deshalb kein hohes Ansehen.“

Tja, wen wundert's? Den Nachbarn, der einen immer besserwisserisch belehrt, wie man den Rasen zu mähen, das Haus zu streichen oder den Gehweg zu kehren hat, den mag ja auch keiner.

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Bianca (Mittwoch, 16 November 2022 15:49)

    ... letztlich muss sich auch der Bund der Steuerzahler finanzieren und seine Existenz irgendwie rechtfertigten. Die "Rechtfertigung" geht natürlich nur mit waschechten "Skandalen", da bei 400€ angeblicher Verschwendung ja kein Hahn kräht. Also müssen hohe und imposante Summen daher, sonst berichtet auch keiner über den Verein.
    Letztlich ist auch der Bund der Steuerzahler in den letzten Jahren zum lästigen Anrufer bei Firmen geworden, um neue Mitglieder / Einnahmen zu generieren. Wer um Mitglieder zu generieren in die Kaltaquise geht, kann meiner Meinung nach nicht seriös sein.

    Würde mich mal deutlich mehr interessieren durch welche NICHT-Investitionen am Ende deutlich mehr Gelder verschleudert werden - wenn z.B. Schäden nicht repariert werden und dann alles komplett neu gebaut werden muss (siehe Brücke A45, die ursprünglich 100 Jahre halten sollte). Ich denke da kommen die interessanteren Summen raus.