Der Fall Sportkind

Der „Sportkind"-Laden am Augsburger Rathausplatz ist ein Musterbeispiel dafür, wie überbordende Bürokratie wirtschaftliche Entwicklung blockiert. (Foto: Sportkind)
Der „Sportkind"-Laden am Augsburger Rathausplatz ist ein Musterbeispiel dafür, wie überbordende Bürokratie wirtschaftliche Entwicklung blockiert. (Foto: Sportkind)

Alles Banane!

Naja gut, wir haben gerade eine wiederaufflackernde Pandemie. Ja, wir haben in Augsburg eine Innenstadt, die langsam vor die Radler geht. Und ja, die Umlandeinkäufer fühlen sich in Augsburg nicht mehr willkommen. Aber drauf gesch… – die Augsburger Welt (!) dreht sich derzeit um zwei LED-Monitore in einem Geschäft am Rathausplatz.

Es geht um „Sportkind“, eine Internet-Geschäftsidee zweier Frauen, die es doch tatsächlich ins reale Leben geschafft hat. 

Und zwar ausgerechnet nach Augsburg, wo die beiden Gründerinnen jetzt erleben, was es heißt, in dieser Stadt, in der die Großmannssucht im Kleingeist erstickt, kreatives Unternehmertum zu leben. Sie haben nämlich gewagt, etwas zu tun, was in vielen Städten dieser Welt mittlerweile Standard ist: Statt regelmäßig Schaufenster zu dekorieren, statt Plakate aus Papier aufzuhängen oder Displays aus Plastik aufzustellen, haben sie zwei 1,1 auf 1,928 Meter große  Monitore ins Schaufenster zum Rathausplatz hin gestellt, auf denen ihre Waren und Angebote abgebildet sind. Und bekamen prompt Ärger mit „dem Denkmalschutz“.

Der nämlich verbiete Werbung via Bildschirm, wurde den Damen  mitgeteilt, und die Monitore seien daher zu entfernen. Wobei die Eingriffsverwaltung geflissentlich über die Tatsache hinwegsah, dass bei der Tourist-Information der Regio Augsburg zwei Schaufenster weiter derzeit auch ein Info-Bildschirm flimmert – mit Werbung für die Kanu-WM… 

Dummerweise ließen sich die beiden Unternehmerinnen von der geballten Power datschiburger Bürokratie nicht beeindrucken. Sie ließen die jeweils knapp 5000 Euro teuren Monitore an ihrem Platz und gingen an die Öffentlichkeit, was in Augsburg heißt: Sie erzählten es meiner Lieblingszeitung, die dann zwar keine eindeutige Position zu dem Vorgang fand,  über das Stück aus dem kommunalen Tollhaus aber immerhin ausführlich berichtete. Mit Folgen.

Im Bauausschuss des Stadtrates hatten nämlich zunächst  alle Stadträte in einstimmiger Verschlafenheit dem Vorgehen der Bauverwaltung gegen die Sportkind-Monitore zugestimmt. Nun erwachten einige, die Diskussion wurde neu aufgerollt. Heraus kam dann sowas wie ein Kompromiss. Einer der vorhandenen Bildschirme sollte von der Rathausplatzseite ins Sportkind-Schaufenster an der Philippine-Welser-Straße verlegt werden, der zum Rathausplatz hin durch ein etwa halb so großes Modell ersetzt werden. In Funktion sollten die Bildschirme nur während der Geschäftszeiten sein. Diesen Kompromiss lehnten die Unternehmerinnen ab und nahmen sich einen Anwalt.

Ob der nun wirklich Arbeit bekommt? Man weiß es nicht, denn OB Eva Weber (CSU) grätschte ins Ausschussvotum und holte die Sache in den Gesamtstadtrat, der nun entschied – für die Bildung eines Expertengremiums, das neue Werberichtlinien für die Innenstadt konzipieren soll: Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis.

Begleitet war die Entscheidungs-Arabeske von heftigem Gejaule der Sozialfraktion und anderer Weber-Opponenten:  Ein solches Vorgehen sei eher in „Bananenrepubliken" üblich, hieß es. Weber missachte das Ausschussvotum. Und hat damit alles richtig gemacht. In der Augsburger SPD scheint vergessen, dass der erfolgreichste OB der Nachkriegsgeschichte, der verstorbene Hans Breuer, ein Meister im Korrigieren von unpopulärem Ausschuss-Ausschuss war und bessere Lösungen im Zweifel im Stadtrat mit der knappestmöglichen Mehrheit von einer Stimme – seiner Stimme – durchsetzte. Der Königsplatzumbau Mitte der 1970er Jahre ist hierfür nur ein Beispiel, wenn auch das spektakulärste.

Die Weber-Partner von den Grünen übten sich unterdessen in lautstarkem Schweigen und verweigerten sich einem Kompromiss. Man lasse sich nicht erpressen, hieß es, was als Äußerung aus einem vom sogenannten „Klimacamp“-Müllhaufen flankierten Rathaus schon sehr bemerkenswert ist.

Wenn alles gut geht – das heißt, wenn eine Neuregelung nicht zerredet wird oder zu einem kleinkarierten Schikanierpapier aufgebläht wird – könnte die causa Sportkind immerhin noch einen positiven Effekt für die Stadt haben: Dass der  corona- und ökoverkehrsreglementierungsgebeutelte Einzelhandel wenigstens noch zeitgemäß für seine Angebote werben darf.

Fortsetzung folgt.

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Kommentare: 1
  • #1

    Edwin (Dienstag, 02 August 2022 08:41)

    Großartig geschrieben, spricht mir aus der Seele. Irgendwie lebt in Augsburg immer noch das Prinzip "Des hamma imma scho so gmacht..."