Sanierungsfall Kultur

Seit Jahren – und noch viele weitere Jahre – ein Augsburger Dauerthema: die Sanierung des Theaters. (Foto: Richard Mayer, wikimedia commons)
Seit Jahren – und noch viele weitere Jahre – ein Augsburger Dauerthema: die Sanierung des Theaters. (Foto: Richard Mayer, wikimedia commons)

Theater ums Theater

Vorweg mal ein Geständnis: Ich war seit Jahren nicht mehr im Theater. Nicht nur, weil das Augsburger Haus bereits seit längerer Zeit wegen Sanierung geschlossen ist. Sondern auch, weil ich – eine mindere Folge meiner schweren Erkrankung – mich in größeren Menschenansammlungen nicht mehr wohl fühle. Und ein kleines bisschen auch, weil mir das zeitgeistig-zwanghafte Auf-links-Drehen klassischer Inhalte und Darstellungsformen gediegen auf den Zeiger geht. Aber darum soll es in diesem Blogbeitrag gar nicht gehen. Sondern um das Augsburger Verhältnis zur Sanierung der Kulturlandschaft (es geht ja nicht nur ums Staatstheater am Kennedyplatz) mit einem gehörigen Batzen Geld.

Vor allem die finanziellen Folgen des Großprojektes waren von Anfang an umstritten: Als der Augsburger Stadtrat am 29. Juli 2015 (also vermutlich in der letzten Sitzung vor den Ferien, deren Tagesordnung üblicherweise zum Bersten vollgestopft ist) den Grundsatzbeschluss zur „Generalsanierung und Neukonzeption des Theaterstandortes Augsburg und zur Regelung der Interimsphase“ für damals geschätzte 189 Millionen Euro fasste, waren nur 55 der insgesamt 61 Stimmberechtigten (60 Stadträte plus der OB) anwesend – über die Gründe der Fehlenden darf spekuliert werden. 48 Stadträte stimmten für die Sanierung, sechs dagegen. Das Protokoll verzeichnet darüber hinaus eine Stimmenthaltung.

Schon vor der Grundsatzabstimmung hatte es kritische Beiträge über die Investitionshöhe gegeben, ein Stopp der Planungen war gefordert (und abgelehnt) worden. Nicole Prestle, Lokalchefin der Augsburger Allgemeinen, kommentierte dies damals so: „Das Millionenprojekt wird diese Stadt über viele Jahre beschäftigen. Es wird sie auch finanziell binden. Den Bürgern kann eine solche Maßnahme nicht "aufgedrückt" werden, das hat die prompte Reaktion einiger Kritiker gezeigt. Doch der Kompromiss, der nun gefunden scheint, ist gut: Die Renovierung des Großen Hauses wird vorangetrieben. Gleichzeitig wird es eine Diskussion mit Bürgern und Kulturschaffenden geben, bei der jeder seine Idee eines funktionierenden Theaters formulieren kann. Wer sich einbringt und was dabei herauskommt, darauf darf man gespannt sein. Erste Ergebnisse sind im Februar zu erwarten. Das schönste Ergebnis wäre, wenn das Dreispartenhaus am Ende ein "Stadttheater" im wörtlichen Sinn wäre - nicht inhaltlich, sondern was seine Akzeptanz betrifft.“

Die Hoffnung der AZ-Journalistin ging nicht in Erfüllung: Gegen die geplante Sanierung sollte ein Bürgerbegehren in Stellung gebracht werden – beflügelt ausgerechnet auch von Kulturschaffenden der „alternativen“ Kulturszene, was immer damit in Augsburg gemeint sein mag. Erfolgreich war es nicht. 15 Monate nach dem Grundsatzbeschluss  wies der Stadtrat das Bürgerbegehren als unzulässig zurück, da die „Initiative Kulturelle Stadtentwicklung" nur 8328 von den erforderlichen 10.562 Stimmen erbringen konnte. Angesichts dieser Tatsache wurde dann über rechtliche Mängel des Begehrens erst gar nicht mehr diskutiert, und Einaus dem Gremium gestellter  Antrag auf ein Ratsbegehren fand nur fünf Befürworter.

Man kann damit feststellen, dass die Sanierung des mittlerweile zum Staatstheater avancierten Hauses von einer breiten Basis der Stadtgesellschaft getragen wurde und wird. Trotzdem wird die bereits begonnene Theatersanierung immer wieder, wenn Kosten- und Sachstandsberichte im Rat gegeben werden, in Frage gestellt. So auch am vergangenen Donnerstag, als es um Kostensteigerungen und die Planung für die zweite Spielstätte ging. Diesmal standen nur noch 37 Stadträte hinter den Planungen, 18 stimmten dagegen, darunter auch etliche aus der SPD, die den Grundsatzbeschluss noch mitgetragen hatte. Ihr Hauptargument: Viele andere dringende Vorhaben der Stadt seien finanziell durch das Engagement fürs Theater auf lange Zeit blockiert. Das allerdings hätte man schon 2015 wissen können – und dass es zu Baukostensteigerungen kommen würde, auch. Ein erneuter Antrag auf ein Ratsbegehren gegen die Sanierung wurde übrigens gegen acht Stimmen abgelehnt.

Egal, wie man das werten möchte: Es ist augenscheinlich, dass die (politische) Unterstützung für Theatersanierung und Spielstättenneubau bröckelt – aus durchsichtigen, parteipolitischen Motiven. In bestimmten politischen Kreisen scheint man darauf zu hoffen, dass die populistische Forderung nach „Sparen“ an der ach so elitären Kultur am Kennedyplatz ein paar Wählerstimmen aufs eigene Stimmenkonto schwemmen möge.

Aber es geht hier nicht um Wählerstimmen, es sollte nicht darum gehen. Sondern um die Stadtkultur, die Kultur des Zusammenlebens in der Stadt, wozu ein Text von Sönke Wortmann aus seinem beachtenswerten Buch „Es gilt das gesprochene Wort“ zitiert sei. In der geschilderten Szene spricht ein deutscher Politiker vor Kollegen in Ho-Chi-Minh-Stadt zum Thema Kultur: Darf man „die Frage, welche Kultur eine Stadt wie diese braucht, überhaupt so stellen? Oder impliziert nicht bereits die Frage, dass es auch Kultur geben könnte, die man nicht braucht, die man weglassen könnte? Der frühere deutsche Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat schon 1991 gesagt, es sei grotesk, dass Ausgaben im kulturellen Bereich >Subvention< genannt würden, während kein Mensch auf die Idee käme, die Ausgaben für einen Bahnhof oder einen Spielplatz als Subvention zu bezeichnen.“ (...) „Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder auch streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere innerliche Überlebensfähigkeit sichert. Das trifft den Kern der Debatten, die immer wieder um den Stellenwert und die Kosten von Kultur geführt werden. Die Formulierung des geistigen Bodens leitet über zum lateinischen Ursprung des Wortes aus der Agrarwirtschaft, wo >cultura< die Pflege des Ackers und die Urbarmachung des Bodens bedeutete, sodass darauf etwas wachsen und gedeihen kann. 

Wenn Sie wollen, dass sich Ihre Stadt entwickelt, dass sie wächst und gedeiht, dann brauchen Sie Kultur, genau wie Sie Wirtschaft, Handel, Verkehr, Infrastruktur, Sport, Bildung und alle anderen Bestandteile einer modernen städtischen Gesellschaft brauchen. Nur so kann Ho-Chi-Minh-Stadt eine lebendige, funktionierende und innovative Großstadt sein, die in die Zukunft orientiert ist und über ihre Grenzen hinausstrahlt. Eine Stadt, die lebenswert ist und noch lebenswerter sein möchte, muss allen Bürgern und potenziellen Neubürgern ein breites Spektrum bieten. Kultur ist auch ein Standortfaktor, das belegen inzwischen zahlreiche Studien, auch hier in Vietnam. Die Geschichte, besonders die deutsche, zeigt hinlänglich, wie gefährlich es ist, Kultur als vermeintlich entbehrlichen Bestandteil einer Gesellschaft zur Disposition zustellen und so der Nichtkultur Tür und Tor zu öffnen. So entsteht die destruktive Tendenz, Dinge gegeneinander aufzurechnen, die sich nicht aufrechnen lassen: Schule gegen Theater, Schwimmbäder gegen Museen. Sehr schnell gerät man so in die trüben Gewässer unsäglicher populistischer Schlammschlachten wie unlängst bei uns in Düsseldorf, wo Eltern ihre Kinder mit Plakattexten auf die Straße schickten wie: >Mama, ich will nicht in die Oper, ich will ins Schwimmbad!< Gerade Kunst und Kultur schauen inhaltlich und geografisch über den Tellerrand, sie operieren in anderen Dimensionen als das kurzlebige Tagesgeschäft. Dafür brauchen sie die Rückendeckung und die aktive Verantwortung von Stadt und Staat."

Dem ist nichts hinzuzufügen. Nicht in Vietnam, und noch weniger in Augsburg.

Fortsetzung folgt.

 

 

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