Herbstküche

Ein neu interpretierter Herbstklassiker: Pasta con lenticchie – Nudeln mit Linsen
Ein neu interpretierter Herbstklassiker: Pasta con lenticchie – Nudeln mit Linsen

Linse küsst Nudel

Wenn ich koche und mit dem Ergebnis zufrieden bin, poste ich Bilder auf Facebook. Weil ein paar meiner Freunde immer, wenn ich es nicht tue, nachfragen: „Kochst Du gar nicht? Ich brauche Anregungen." Mit meiner „Pasta e lenticchie" war ich sehr zufrieden, und mit dem Echo auch. Ist zwar ein ziemlich aufwendiges Gericht, aber da ich X Anfragen zum Rezept bekommen habe (das wie immer gar nicht existiert), habe ich mal was aufgeschrieben:

Das Gericht ist eines aus der italienischen Herbstküche: Pasta e fagioli, Nudeln mit Bohnen, klingt für deutsche Kochende etwas gewöhnungsbedürftig. Und wenn dann im Rezept auch noch Essig ins Spiel kommt, steigen viele aus. Das ist ein Fehler, aber kein schlimmer. Viel schlimmer ist es, wenn man pasta e fagioli kochen will, aber beim Einkaufen die Bohnen vergessen hat. Das lässt sich aber heilen: Die vergessliche Dummtorte nimmt einfach Linsen.

 

Wie viele? Nun, da kann man streiten. Wir verarbeiten für das Gericht Linsen, Gemüse und Teigwaren. Letztere sind einfach:  ca. 70 g Trockenware pro Vorspeisenportion in einem Menü, ca. 120 g, wenn es ein Hauptgericht werden soll. Die Linsen-Gemüsesauce besteht zu zwei Dritteln aus Gemüse, die Linsen haben sich mit dem Rest des Volumens zu begnügen. Eventuelle fleischige Zutaten zum dann nicht mehr veganen Gericht kommen oben drauf.

 

Was für Linsen? Wer einen gut sortierten italienischen Feinkosthändler in der Nähe hat, kauft Pantelleria-Linsen. Sie sind herrlich nussig, teuer wie Gold, schmecken aber besser. Gute Alternative sind die als „Beluga-Linsen“ verkauften Schusserchen aus dem Biomarkt. Wichtig: Je kleiner die Linse, desto besser das Ergebnis. Und die Linse muss eine braune sein. Gelbe, rote, rosa und was-weiß-ich-wie-noch-farbige scheiden aus. Sie neigen zum Mantschen, und das wollen wir nicht.

So, genug Warenkunde, jetzt wird gekocht. Und zwar die Linsen (in Kaltwasser gequollen, wenn der Linsenbeipackzettel das will) in Wasser (ohne Zugabe von irgendwas). Die Garzeit steht auf der Packung. Davon ziehen wir fünf Minuten ab. Wenn die Linsen schon angegart, aber noch so fest sind, dass Tante Frieda sagen würde „Die Linsen sind hart!“, nehmen wir den Topf von der Hitze, gießen evtl. überschüssiges Kochwasser so weit ab, dass die Hülsenfrüchtchen  noch so eben bedeckt sind. Dann gibt man ihnen Salz und Weinessig als Badezusatz und stellt sie beiseite. Der Weinessig muss übrigens nicht Spitzenqualität haben, der kommt später weg. Der gute Hengstenberg tut‘s also auch...

Sodann zu den Nudeln. Ich nehme Sorten, die die Sauce gut halten, also Spirelli, Orechiette oder Farfalle. Dickere Spaghetti (Größe 7) tun es auch. Bandnudeln sind eher blöd. In Salzwasser kochen. Der Gargrad sollte wieder Tante Frieda auf den Plan rufen: Beim Abgießen sollten sie nicht al dente sein, sondern innen noch krachen. In diesem Stadium mit  Kaltwasser abduschen, um den Garprozess zu stoppen, und in Bereitschaft stellen.

Dann widmen wir uns dem Gemüse. Karotte, Petersilwurzel oder Pastinake, Sellerie (Knolle oder Stange), eine kleine festkochende Kartoffel, eine Paprika, eine Zwiebel werden geputzt und zu Brunoises geschnitten. Das ist eine Schweinsarbeit. Die Würfel haben maximal 2 mm Kantenlänge. Idealerweise sind sie genauso groß wie die gekochte Linse.

Nach erfolgter Schnippelung muss noch eine Würzsauce entstehen: frischer Ingwer, frische Kurkumawurzel, Knoblauch werden im Mischungsverhältnis 2:1:1 püriert. Am besten geht das für Faule (also mich) in einem Glas (kein Kunststoffgefäß verwenden, denn Kurkuma färbt wie Sau) mit dem Zauberstab. Da wir das Gericht zum Schluss mit frischer Petersilie bestreuen, sind sicher die Petersilienstängel übrig. Die wandern auch ins Glas zur Pürierung. Dort ist dann auch noch Platz für Chillischoten nach Belieben: Weicheier nehmen die großen, milden; Hartgesottene die kleinen Thailändischen. Jetzt darf auch noch ein bisschen Wasser dazu, dann püriert sich‘s leichter.

Wir nähern uns der Vollendung. Sie findet in einem großen, schweren Topf statt und beginnt mit der Erhitzung eines großzügigen Quantums Olivenöl, in dem der Carnivore Bauchspeckwürfel, mit etwas Paprikapulver bestreut, anröstet. Der gewitzte Veganer spart sich diesen Schritt und schmeißt gleich die Brunoises ins Öl. Mit 1 TL Zucker pro Portion bestreuen und konstant gut durchrühren. Ein Spritzer Tomatenmark darf mitschwitzen und sorgt für die Röstaromen. Wenn die Gemüse den Grad einer Regierungserklärung haben, also halbgar sind, darf abgelöscht werden. Je nach Gusto mit Weißwein, Brühe oder Wasser. Aufkochen und Hitze reduzieren. Dann kommt das Würzpesto dazu und — in der nicht-veganen Variante — etwas demi-glace. Nun fehlt bloß noch ein ordentliches Quantum crema di balsamico zum Glück. 

Abschmecken, evtl. noch Flüssigkeit einreduzieren lassen und die Nudeln zugeben. Die dürfen dann noch ein paar Minuten erwärmen und fertiggaren.

Finale furioso: Wir nehmen die Pasta samt Sauce aus dem Topf, geben sie in tiefe Teller, überstreuen das ganze mit reichlich Pfeffer aus der Mühle und gehackten Petersilienblättern.

Jetzt kommt die Standardfrage: Und was ist mit Käse? Nun, der ist hier deplatziert. Wer diese feine Herbstpasta derart verhurnagelt, wird mit einem halben Jahr Verpflegung aus dem Kochlöffel-Grill bestraft!

 

Und nun guten Appetit.

Man trinkt übrigens Weißwein dazu, der nicht mal besonders trocken sein muss...

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