Kommunalpolitik in Corona-Zeiten

Das Staatstheater ist erneut Gegenstand eines Bürgerbegehrens. Die bereits begonnene Sanierung wird erneut in Frage gestellt. (Foto:  Guido Radig)
Das Staatstheater ist erneut Gegenstand eines Bürgerbegehrens. Die bereits begonnene Sanierung wird erneut in Frage gestellt. (Foto: Guido Radig)

Welterbe und Hundehaufen

Zurzeit — ich gebe es gerne zu — schwillt mir beim morgendlichen Lesen meiner Lieblingszeitung täglich der Kamm, und erstmals, wirklich erstmals, wünsche ich mich an meinen Redaktionsschreibtisch zurück, um via Kommentar mit Bomben und Granaten journalistisch richtig reinzuhauen. Natürlich geht das auch hier im Blog, zugegeben aber nur mit überschaubarer Reichweite. Trotzdem...

Hier also ein paar Anmerkungen zu tagesaktuellen kommunalpolitischen Themen:

 

Grindtec-Absage

 

In Augsburg explodieren die Corona-Infektionszahlen in einem Maße, das die Zahlen der „ersten Welle“ signifikant überschreitet. Augsburg steuert auf einen zweiten Lockdown zu, aber nicht, wie beim letzten Mal, mit Paukenschlag, sondern in Trippelschritten. Da müssen Gastronomen ihre Lokale um 21 Uhr zusperren, da stolpert man maskenverhüllt mit beschlagener Brille durch die Innenstadt, da hört man dramatische Videobotschaften („Beiben Sie wenn möglich zuhause!") der Oberbürgermeisterin auf YouTube. Ganz Augsburg ist im Corona-Modus. Ganz Augsburg? Nein! Wie das kleine gallische Dorf aus dem Asterix-Comic trotzt eine Veranstaltung den Corona-Legionen. Die Grindtec, die „Weltleitmesse für Schleiftechnik" findet - Stand heute - weiterhin statt. Geht ja auch um eine Menge Kohle, nicht wahr?

Das kann es ja wohl nicht sein! Die Messe gehört abgesagt. Weil es nicht angehen kann, dass Teilnehmer aus aller Welt nach Augsburg strömen, um die Stadt nicht nur zum Weltleitmessenmekka, sondern vielleicht auch zum Superspreader-Standort „Bad Augschl" zu machen. Statt dessen scheinen saft- und kraftlose Kommunalpolitiker darauf zu hoffen, dass eine höhere Instanz ihnen die (zugegeben unangenehme) Entscheidung abnehmen möge. Der Söder wird's schon richten - und der Stadtrat kann dann auch gleich geschlossen als Ferienausschuss weiterschlafen.

 

Theater-Bürgerbegehren

 

Dass ein breites Kulturangebot zu einer Stadt gehört, dürfte unbestritten sein. Dass sich von Kultur nicht unbedingt üppig leben lässt, ist bis auf Ausnahmefälle eine Binsenweisheit. Also fließen Subventionen, und deshalb war der Aufschrei, dass in den kommenden Jahren Millionenbeträge in die Sanierung des Stadttheaters fließen würden, vorprogrammiert. Er kam - überwiegend - von den „anderen" Subventionsempfängern, also denen, die sich gewöhnlich als „alternativ" bezeichnen, letztlich aber genauso spießbürgerlich auf den eigenen Vorteil schielen wie alle anderen auch. Es war also kein Wunder, dass gegen die Sanierungspläne, die endlich (!) auch Zubauten für einen wirtschaftlicheren Betrieb (Lager, Werkstätten) und ein breiteres Angebot (Schauspiel) der Bühnen sorgen sollten, ein Bürgerbegehren angezettelt wurde. Wie man das heutzutage halt so macht, wenn man über den Regelweg der repräsentativen Demokratie hinten runtergefallen ist.

Ich schenke mir mal die Argumentation über den Sinn der gern so genannten Basisdemokratie. Wir haben sie halt nun mal in bestimmten Bereichen, und so kann heute kein Projekt mehr realisiert werden, kein Sträßchen gebaut, kein Radweg verbreitert werden, ohne dass der Chor der Frösche mitquakt, mitstimmt und alles dann halt irgendwie länger dauert. Das muss man vielleicht aushalten, aber ich gebe gerne zu, dass Geduld eine Alterstugend ist, von der ich bisher verschont worden bin.

Da wir gerade bei Alterstugenden sind: Weitsicht gehört wahrscheinlich dazu, und deshalb habe ich erwartet, dass - augsburgtypisch - die Theater-Kosten-Diskussion mit dem seinerzeitigen Sanierungsbeschluss nicht beendet sein würde. Mein Lieblingszitat der letzten Jahre ist eines von Eugen Roth geworden: „Ein Mensch wollt' immer recht behalten / so kam's vom Haar- zum Schädelspalten."

Nun, Schädel sind noch nicht in Mitleidenschaft gezogen worden, aber der scheinbare Konsens zur Theatersanierung sehr wohl: Kaum war klar, dass Corona nicht nur aus lästigem Maskentragen, nervigem Homeoffice und bedauerlichen Erkrankungen besteht, sondern auch einer absehbaren Ebbe in den öffentlichen Kassen, krochen die Bürgerbegehren wieder aus ihren vermeintlich schon zugeschütteten Löchern. Jetzt also soll das Theater-Bürgerbegehren 2.0 dafür sorgen, dass die Staatsknete nicht nur im Musentempel Theater ankommt, sondern auch der in unterschiedlichsten Ausprägungen praktizierte Waldorf-Namenstanz sein Scherflein möglichst ungekürzt einstreichen kann.

Ich gebe mich jetzt der Hoffnung hin, dass nicht nur ich, sondern auch möglichst viele andere noch den goldenen Zeiten nachhängen, in denen über politische Fragen zwar gestritten wurde (und zwar heftig). Dann aber, wenn eine Entscheidung demokratisch getroffen war, diese auch galt. Und zwar nicht nur, bis man wieder einen Anlass finden konnte, das Rad wieder auf Anfang zu drehen.

 

Plastikmüll

 

Meine Lieblingszeitung berichtet - in einem prominent platzierten Artikel, in dem bezeichnenderweise der grüne Umweltreferent noch nicht einmal vorkommt - über einen privaten Kraftwerksbetreiber, der aus einem der Augsburger Welterbe-Kanäle containerweise Plastikmüll herausfischt. Peinlich für die Welterbestadt - und deshalb tagte bereits ein hochrangig besetztes Expertengremium, um „umsetzbare Lösungen" für das Problem zu finden. Weitere Konferenzen mit einem erweiterten Teilnehmerkreis - in dem bezeichnenderweise der grüne Umweltreferent auch nicht vorkommt - sind geplant; Themen wie Gesetzesänderungen und Entschädigungsregelungen für plastikeinsammelnde Kraftwerksbetreiber sind angedacht. 

Ja geht's noch?

Wie wäre es denn mit der einfachsten aller möglichen Lösungen, dem Aufstellen vieler zusätzlicher Mülleimer, - und zwar rasch? Man erinnere sich nur mal an die Debatten vergangener Jahre um Hundehaufen in der Stadt. Seit erfreulicherweise die Zahl der Tütchenspender vervielfacht wurde, ist die Entsorgung von Fiffis Hinterlassenschaften problemlos möglich. Und niemand mehr läuft Gefahr, auf Schritt und Tritt den Hundehaufen ausweichen zu müssen oder schlimmstenfalls in der Sch... zu stehen.

So klappt's dann auch mit dem Plastikmüll: Es gibt viele Stellen in der Stadt, an denen öffentliche Mülleimer fehlen. Wenn immer eine Entsorgungsmöglichkeit in Sichtweise vorhanden ist, werden die meisten sie auch nutzen. Und die paar Blödmannsgehilfen, die immer noch ihren Plastikmüll in die Landschaft pfeffern, kann man dann auch mit saftigen Bußgeldern zur Räson bringen.

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