Gruß von Layla

...und der ZDF-Fernsehgarten wird zum Sperrbezirk: Puffmutter Layla und die Berufsempörten. (Foto: Miltiadis Fragkidis on unsplash.com)
...und der ZDF-Fernsehgarten wird zum Sperrbezirk: Puffmutter Layla und die Berufsempörten. (Foto: Miltiadis Fragkidis on unsplash.com)

Die Tugend-Taliban

Ich kann mich noch ganz gut daran erinnern: Es war Anfang der 1970er Jahre auf einem Schulausflug, in einem Wägelchen der Schienenbus-Bimmelbahn von Augsburg Richtung Westliche Wälder. Etwa zwei Dutzend halbwüchsige Gymnasiasten stimmten – vermutlich sehr zur „Freude“ der wenigen Mitfahrer – ein gar lustig Liedlein an: „Einst ging ich am Ufer der Donau entlang…“ Ich übrigens nicht, da kollektive Zwangsfröhlichkeit mir schon von jeher achtern vorbeigeht. Aber unser Lehrer summte mit und zeigte ein amüsiertes Gesicht.

Mannomann – der Typ könnte heutzutage seinen Job an den Nagel hängen. Damals passierte ihm nichts, und aus den beteiligten Donaulied-Sängern ist durchweg was geworden: Richter, Anwälte, Steuerberater, Familienväter – und einige wählen sogar mit Überzeugung „grün“. Aber damals war auch die mittlerweile gängige Bezeichnung „cancel culture“ noch unbekannt.

Heutzutage ist das anders. 2021 startete in Passau eine „Aktion gegen Bierzelt-Sexismus“ eine Kampagne gegen das „Donaulied“. Gefordert wurden ein Verbot des Stücks und „zusätzliche Maßnahmen zur Sensibilisierung“ – zum Beispiel eine Antidiskriminierungsstelle und einen Bayerischen Tag gegen Diskriminierung, Rassismus und Sexismus. Beide Vorschläge wurden jedoch im Innenausschuss des Bayerischen Landtags, der sich mit diesem Vorschlag aus der Freiluft-Psychiatrie befassen musste, abgelehnt.

Wer nun denkt, der Kampf der Tugend-Taliban habe an diesem Punkt geendet, wird aktuell eines Schlechteren belehrt: „Layla“ lautet das Stichwort, unter dem erneut gender- und political-correctness-bewegte Cerebralasketen nach der Verbotskeule rufen. Und im Gegensatz zu 2021 finden sich auf der kommunalen Ebene öffentliche Institutionen, die sich nicht entblöden, das epochale Werk von „DJ Robin & Schürze“ auf den Index ihrer Bierzelte zu setzen. Und der Bundesjustizminister hat sich auch schon zu Wort gemeldet. „Man muss Schlagertexte nicht mögen. Man kann sie sogar doof oder geschmacklos finden. Sie aber behördlich zu verbieten, finde ich, ist eins zu viel", schrieb der FDP-Politiker Marco Buschmann bei Twitter. Mal sehen, wann die ersten Rücktrittsforderungen eintreffen.

Befeuert wird die seltsame Debatte um einen Proll-Song, die ja eigentlich durch eine Verbotsentscheidung der Stadt Würzburg aufkam, durch eifrige Lokaljournalisten, die landauf-landab nachfragen, wie es denn in Sachen Layla rund um ihren Kirchturm stehen möge. Auch in Augsburg fragte meine Lieblingszeitung nach und soll angeblich die salomonische Antwort erhalten haben, auf dem am 26. August beginnenden Plärrer träten nur Bierzeltbands mit Niveau auf. Hört sich gut an, deckt sich aber keinesfalls mit meinen frühkindlichen Plärrererfahrungen...

Was das eigentlich Erschreckende an dem Layla-Hype ist: Er ist ein Zeichen für die schwindende Toleranz in der Gesellschaft. Denn zur Toleranz gehört nicht nur, sagen zu dürfen, dass „Layla“ – dessen Vokabular vermutlich weit harmloser ist als das eines durchschnittlichen bundesdeutschen Achtklässlers – sexistischer, primitiver Quatsch ist. Zur Toleranz gehört auch, hinzunehmen, dass irgendwelche Cerebralasketen in Bierzelten diesen Quatsch besoffen grölen. Man könnte ja – vermutlich mit minderer Erfolgsaussicht – versuchen, die Gröler in eine Sexismusdiskussion zu verwickeln. Aber Verbote?  Das grenzt schon an (Gender-)Faschismus, den Robert O. Paxton  so beschreibt: Er sei gekennzeichnet „durch eine obsessive Beschäftigung mit dem Niedergang, der Demütigung oder der Opferrolle einer Gemeinschaft sowie durch einen kompensatorischen Kult um Einheit, Stärke und Reinheit.“ Hinzu komme eine Bewegung, die demokratische Freiheiten abschaffe. Innere Säuberung und äußere Expansion sollen „mit einer als erlösend verklärten Gewalt erreicht werden."

 In der Zeitung „Gießener Allgemeine" hat die Journalistin Pia Rolfs zur causa Layla geschrieben: „Natürlich kann das nur ein Anfang sein. Unbedingt untersagt werden muss auch "Skandal im Sperrbezirk" (Thema Prostitution), "17 Jahr, blondes Haar" (Minderjährige!) oder der Ballermann-Hit "Zehn nackte Friseusen" (es heißt "Frisörinnen"). Aber politisch inkorrekt sind auch alte Lieder wie "Er hat ein knallrotes Gummiboot" (nicht recyclebares Material), "Wann wird's mal wieder richtig Sommer" (Verharmlosung des Klimawandels) oder "Über den Wolken" (fehlende Flugscham). Sicherheitshalber sollten am besten alle Lieder verboten werden. Und der Begriff "Schlager" gleich mit, zeugt er doch von latenter Gewalttätigkeit.“ 

Natürlich hat die Kollegin Rolfs das in einer Glosse geschrieben. Aber Glossen werden in letzter Zeit ja immer öfter von der Realität überholt. Es wird immer schlimmer. 

Fortsetzung folgt.

 

PS: Obwohl sich „Layla“ seit Wochen auf Platz 1 der deutschen Charts hält, habe ich darauf verzichtet, den Song zu verlinken. Wer ihn unbedingt hören will, kann ihn ja selbst googeln.

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