Verkehrspolitik

Wir müssen draußen bleiben: Die Augsburger Verkehrspolitik wird zunehmend autofeindlich.
Wir müssen draußen bleiben: Die Augsburger Verkehrspolitik wird zunehmend autofeindlich.

Wir müssen Draußen bleiben

„Wir müssen draußen bleiben.“ Diesen Satz kennt Enzo zur Genüge – und er mag ihn nicht. Auch sein Herrchen hört ihn immer öfter, diesen Satz. Und zwar dann, wenn er mit dem Auto unterwegs ist. Einem Elektroauto wohlgemerkt, das mit regenerativem Strom geladen wird und fast geräuschlos dahingleitet. Und trotzdem wird Herrchen immer öfter ausgesperrt oder ausgebremst, seit die Grünen in der Augsburger Kommunalpolitik (fast) ungebremst ihre Ökofantasien austoben dürfen.

Jüngste Narretei: Bedeutende Hauptverkehrsstraßen sollen zu Tempo-30-Zonen werden. In einer Pressemitteilung vom 6. Mai feiern sich CSU und Grüne gemeinsam für den Plan, vier neue 30er-Zonen auszuweisen: in der Pferseer Straße, in der Wertachstraße, der Bürgermeister-Aurnhammer-Straße und am Oberen Graben. Was für ein Irrweg!

Wenn man etwas in der Geschichte der Augsburger Verkehrsplanung zurückgeht, stößt man auf die (damals durchaus nachvollziehbare) Absicht, die Alt- und Kernstadt vom Autoverkehr zu entlasten. Auf einem Ring um die Altstadt sollte der Verkehr fließen, das Innere mit dem Nahverkehr engmaschig erschlossen und die Stadtteile auf kurzen Wegen angebunden werden. Ein Ring von Parkgaragen rund um die Kernstadt sollte die Autos der Kunden und Besucher aus den Stadtteilen und dem Umland aufnehmen. Der überregionale Durchgangsverkehr sollte auf Tangenten um die Stadt hergeleitet werden.

Das in den Kernzügen schon in den 1970er Jahren im Gesamtverkehrsplan festgeschriebene Konzept ist allerdings in erheblichen Teilen Stückwerk geblieben: Die große Ostumgehung fehlt ebenso wie die MAN-Spange im Norden. Der Parkhausring ist im Osten der Stadt lückenhaft geblieben. Und der Nahverkehr wurde zwar ausgebaut und mit der Einführung des Fünf-Minuten-Taktes halbwegs attraktiv. Doch als Corona-Folge wurde der Takt ausgedünnt – und es sieht danach aus, dass es auch nach der Pandemie bei längeren Taktzeiten bleiben wird. Attraktiver ÖPNV kostet halt Geld – und zwar nicht wenig. 

Dieses Geld muss irgendwer verdienen. Und zwar durch Arbeit und/oder Handel innerhalb der Stadtgrenzen. Dazu und zur Verminderung des innerstädtischen Binnenverkehrs sollte auch die Aufwertung der Stadtteilzentren beitragen. Was aber nicht ganz so gelungen ist. Überall da, wo die Verkehrsplaner schon tätig waren, wurde zu Lasten des motorisierten Individualverkehrs vorgegangen: Parkplätze fielen weg, Fahrspuren wurden gestrichen, und wie man eine grüne Welle programmiert, um den Verkehr am Fließen zu halten und umweltfeindliche Stop-and-Go-Situationen zu minimieren, scheint in den Augsburger Amtsstuben unbekannt.

Die Corona-Pandemie hat aktuell dazu geführt, dass viele Menschen, die dies sonst nicht getan hätten, Waren im Internet bestellen. Sicherlich werden einige davon wieder abkommen, wenn die Coronalage dies zulässt. Aber mindestens genauso viele werden bei Amazon & Co. bleiben. Und diese Handelsmogule versteuern ihre Gewinne halt nun mal nicht in Augsburg, sondern, wenn überhaupt, in irgendwelchen Steueroasen. 

Man fragt sich zwangsläufig, woher das Geld kommen soll, mit dem in Augsburg verwegene Zukunftsprojekte bezahlt werden sollen. Aus lokalem Steueraufkommen schon mal nicht. Denn wenn kleine lokale Wirtschaftszentren wie die Bürgermeister-Aurnhammer-Straße in Göggingen, in der viele mit dem Auto einen kurzen Stopp zum Einkauf in (noch) vielen kleinen Geschäften einlegen, erst einmal zu einem grünalternativen Verkehrskindergarten totgeplant ist, werden die ortsansässigen Gewerbetreibenden das Handtuch werfen. Vermutlich kann man dort in ein paar Jahren einen „Branchenmix“ wie in der (noch nicht einmal verkehrsberuhigten) Ulmer Straße bewundern, wo sich Barbershop an Wettbüro an Dönerladen reiht. Dazwischen dürfen sich dann die wenigen verbliebenen Passanten vor den lastenradfahrenden Öko-Muttis in Sicherheit bringen. Senioren und gesundheitlich eingeschränkte Mitbürger werden schon lernen, auch Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs bei Amazon zu bestellen... Aber auf diese Gruppen kommt es ja – offenbar – nicht an: Sie wählen die Grünen nicht – und die CSU vernünftigerweise bald auch nicht mehr. Außerdem steht zu befürchten, dass auf lange Sicht im ohnehin nicht allzu reichen Augsburg so viele Arbeitsplätze weggeplant werden, dass die soziale Spaltung der Gesellschaft noch weiter beschleunigt wird.

Dazu passt ein Zitat des von 1978 bis 1985 amtierenden italienischen Staatspräsidenten Alessandro „Sandro“ Pertini. Der 1896 geborene und 1990 verstorbene Politiker war der populärste Präsident der italienischen Nachkriegsgeschichte Er sagte einmal: "Secondo lei un uomo senza lavoro, che ha fame, che vive nella miseria, che è umiliato perché non può mantenere i propri figli... questo per lei è un uomo libero? No, che non lo è. Sarà libero di imprecare, ma questa non è la libertà che intendo io. La libertà senza giustizia sociale è una conquista vana." Frei übersetzt auf deutsch: „Ein Mensch ohne Arbeit, der Hunger leidet, der im Elend lebt, der erniedrigt wird, weil er seine Kinder nicht ernähren kann ... ist das für Sie ein freier Mann? Nein, das ist er nicht! Er mag frei sein zu fluchen, aber das ist nicht die Freiheit, die ich will. Freiheit ohne soziale Gerechtigkeit ist eine sinnlose Errungenschaft." Und freie Pisten für Lastenfahrräder sind dafür kein adäquater Ersatz.

Fortsetzung folgt.

 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Lotta-Hund (Mittwoch, 12 Mai 2021 19:17)

    Der Alt-OB Kurt Gribl sprach mal von der gefühlten 4-Spurigkeit der Friedberger Straße nach dem Einbau der Straßenbahnlinie 6. Bestimmt sprechen die CSUler bald von dem gefühlten Tempo-50 Feeling in den 30iger-Zonen. Größter kommunalpolitischer Erfolg für Gribl war übrigens die Durchsetzung seiner Pensionsansprüche mit 55 Jahren - ein echter CSL`ler wie man sieht.

    Enzo mach weiter so.

    Deine Lotta & Grüße von Edgar