Die Ohne-Alles-Kultur

Die ideale Ernährung für einige Zeitgenossen: fett-, zucker-, kalorienfrei und vegan. (Foto: bluetaste.de)
Die ideale Ernährung für einige Zeitgenossen: fett-, zucker-, kalorienfrei und vegan. (Foto: bluetaste.de)

Ohne ist das neue Mit

Der Witz kursiert seit einiger Zeit im Internet: Er zeigt eine Runde am Essenstisch, bei der die verschiedenen Gäste ihre speziellen Wünsche äußern: Laktosefrei der eine, ohne Zucker die andere, kein Fleisch ein Dritter. Gast Nummer vier bleibt zunächst stumm und wird folglich gefragt: „Und, welche Lebensmittelhysterie haben Sie?“ Er ist Veganer, wie sich herausstellt.

Man kann drüber lachen, aber es ist ein Trend, der Gastgeber – ob privat oder in der Gastronomie – in die Verzweiflung treibt. Ein Menü für einen mehr als zwei Personen umfassenden Personenkreis zu planen, ist eine generalstabsmäßig vorzubereitende Tour de Force. Ich selbst bin dazu übergegangen, kleine Datenblätter für potenzielle Gäste anzulegen: Was mag er, was mag sie nicht, wer ist wogegen allergisch etc. pp. Am leichtesten zu erkennen sind übrigens Veganer. Sie verursachen keinerlei Rechercheaufwand, denn sie erzählen es einem – unaufgefordert, unignorierbar und ständig.

Längst ist die Wirtschaft auf den Trend zur „Lebensmittelhysterie" aufgesprungen. Per Gesetz ist sie ja verpflichtet, bei verpackten Lebensmitteln die Inhaltsstoffe auf der Verpackung anzugeben. Da fällt es natürlich schwer, sich von der Konkurrenz anzuheben, wenn man – beispielsweise – Apfelsaft verkauft. Ist halt Apfel drin. Und sonst nix, sonst dürfte er nicht Apfelsaft heißen. Also schreibt der gewitzte Werbestratege „ohne Zucker" aufs Etikett. Süß ist der Saft dann übrigens trotzdem. Denn er enthält Fructose, und das ist auch eine Zuckerart. Ein Rundgang durch einen deutschen Supermarkt macht einem heutzutage klar, was alles nicht in den Waren enthalten ist. Was drin ist, muss dann im Kleingedruckten recherchiert werden. Das ganze ist irreführend bis zur Schmerzgrenze.

Nehmen wir beispielsweise das Regal, in dem der Supermarkt meines Vertrauens Produkte für die vegane Ernährung anbietet – eine wahre „Ohne-Orgie“. Der Blick auf die  vegane Wurst, die die bestmögliche Ehegattin mit der Bemerkung „Schmeckt nicht schlecht“ auspackt, lässt jeden Menschen mit Küchenhintergrund erschaudern. Ohne Fleisch und tierische Produkte – ja nee, is klar! Aber mit... Die Liste der Inhaltsstoffe liest sich wie der Beipackzettel von Astra Zeneca, als würde das Zeug im Wurstreaktor bei BASF hergestellt. Und straft zudem die „Ohne Konservierungsmittel“-Aussage von der Frontseite Lügen. Oder gibt es einen vernünftigen Grund, Ascorbinsäure in medizinisch relevanten Dosen in einen Wurstersatz zu packen? Ach ja, man könnte ja vorne auf die Verpackung „mit Vitamin C“ schreiben. Aber erstens sucht das niemand in der Wurst, und zweitens stünde da dann ja „mit“. Und das ist nicht mehr modern.

Vorbei die Zeiten, in denen das „mit“ für die Werbung taugte (und schon damals zur Vergackeierung der Verbraucher herangezogen wurde). Mein Beispielklassiker hier ist das Vogelfutter von Trill, das früher so angepriesen wurde: „Mit Jod-S-11 Körnchen“. Wobei Jod noch klar ist: Schützt des Sittichs Schilddrüse. Aber beim S fing das Rätselraten schon an. Schwefel (chem.: sulfur)? Eher nicht. Und elfwertigen Schwefel gibt es nach meinen rudimentären Resterinnerungen aus dem Chemieunterricht auch nicht.

Das Rätsel löst die „Kreiszeitung“ in einem Beitrag aus dem Jahr 2010 über das 50. Firmenjubiläum des Trill-Herstellers Mars: „Um die Tierhalter für die neue Ernährung ihrer Lieblinge zu begeistern, griff die Werbung mitunter zu recht drastischen Mitteln. Da wurde im Fernsehen auch schon mal ein Wellensittich gezeigt, der wegen fehlender Jod-S-11-Körnchen tot auf dem Boden seines Käfigs lag. Wetzel offenbarte seinen Zuhörern sogar, was hinter dieser geheimnisvollen Formel steckt. S-11 ist einfach eine Abkürzung für „Sonnenschein-Körnchen“. Nach dem „S“ folgen noch 11 Buchstaben.“

Damals konnte man eben mit mit noch Staat machen. Heute nicht mehr. Heute ist ohne das neue mit.

Fortsetzung folgt.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Theo Gandenheimer (Dienstag, 13 April 2021 12:54)

    Mein Kommentar: Ich bin jetzt Meganer. Ich esse alles, was mega lecker schmeckt !!!!!!!!!!!!

  • #2

    Lotta - ein Hund wie Enzo (Mittwoch, 14 April 2021 16:13)

    Ich fresse alles und wenn`s geht, dann viel. Fleisch auf Fleisch in einem großen Napf serviert ist einfach die Krönung des Tages. Trockenfutter geht zur Not auch - aber nur zur Not. Bin mal gespannt, wann die ersten Veganer mit Salz- und Pfefferstreuer in der Wiese sitzen und den Kühen das Futter wegfressen.