Pandemie

In Augsburg wurden Angestellte einer Steuerkanzlei gegen Corona geimpft – außerhalb der Prioritäten-Reihenfolge. (Foto: Superikonoskop/wikipedia.org
In Augsburg wurden Angestellte einer Steuerkanzlei gegen Corona geimpft – außerhalb der Prioritäten-Reihenfolge. (Foto: Superikonoskop/wikipedia.org

Pleiten, Pech und Erben

„Lesen bildet“, sagt der Volksmund. Ja, in der Tat! Ich habe heute bei der morgendlichen Lektüre meiner Lieblingszeitung zum Beispiel ein mir ganz neues Wort gelernt: Impfneid. Es steht in einem Kommentar von Nicole Prestle zu einem Artikel, in dem es darum geht, dass ein mobiles Corona-Impfteam der Stadt Augsburg, das eigentlich bettlägerige oder nicht mobile Menschen gegen Corona immunisieren sollte, 48 Mitarbeiter einer Steuer- und Anwaltskanzlei den AstraZeneca-Impfstoff verabreichte.

Die Sache wurde bekannt, und ein Shitstorm brach los. Vom städtischen Gesundheitsreferat gab es eine Stellungnahme: Wie es nun heißt, habe es in der „richtigen“ Zielgruppe nicht genügend Kandidaten gegeben, weswegen 50 Dosen übriggeblieben waren. Auf Anfrage habe die Stadt die Steuerkanzlei als Alternative genannt. Diese hatte sich selbst als „systemrelevant“ gemeldet.

Nun kann man sicher trefflich darüber streiten, welche Relevanz Anwälte und Steuerberater bei der Bekämpfung einer Pandemie haben. Auf einer Skala von 0 bis 100 würde ich persönlich (als über 60-jähriger Risikopatient in Gruppe 3) auf einen Wert von etwa minus 10 tippen. Gleichwohl ist den Glücklichen zu gönnen, dass sie nun sorgenfreier leben können.

Was aber zum Himmel schreit, ist die Aufarbeitung des Falles. Eine wortreiche Erklärung des zuständigen Referenten erklärt – nichts. Zahlreiche Fragen bleiben offen:

— Wer meldete die Steuerkanzlei als Alternative an das Impfteam?

— Wie kann es sein, dass sich die Kanzlei selbst als „systemrelevant“ einstufte, und von offizieller Seite niemand das Hirn einschaltete, um diese Angaben infrage zu stellen oder vielleicht gar zu prüfen?  

— Steht diese Kanzlei in irgendwelchen (Geschäfts-)Beziehungen zur Stadt oder ihren Repräsentanten?

Die wichtigste Frage jedoch muss nicht der Referent beantworten, sondern Stadtrat und Oberbürgermeisterin: Ist Reiner Erben als städtischer Referent noch tragbar?

Eine fachliche Qualifikation für den Bereich Umwelt und Gesundheit lässt der Politikwissenschaftler schon mal nicht erkennen, es sei denn, man hielte eine dreijährige Abhärtung als Wahlkreismitarbeiter der Grünen-Bundestagsabgeordneten Claudia Roth für eine solche. Und die bisherige Bilanz des Referenten fällt auch nicht gerade glänzend aus, sondern erinnert eher an die (gottlob schon lange eingestellte) Show „Pleiten, Pech und Pannen“ von Max Schautzer: Bäume am Herrenbach, Holzstöckchen für die gelben Wertstoffcontainer, Maskenpflicht-Zonen ohne hinreichende Ausschilderung ...

Der Mann ist auf seinem Posten fehl am Platz.  Nur dürfte es halt schwierig werden, den grünen Klotz am Bein einer ansonsten ganz passablen Stadtführungsmannschaft so einfach ins Biotop zu schicken. Als kommunaler Wahlbeamter ist Erben in der Besoldungsgruppe B4 üppig eingestuft (knapp 7500 Euro im Monat) und während seiner Amtsperiode von sechs Jahren praktisch unkündbar. Man könnte ihm allenfalls (bei gleichbleibender Alimentierung) einen anderen Zuständigkeitsbereich geben. Oder darauf hoffen, dass die Fehlbesetzung im Referat in einem Akt der Selbsterkenntnis selbst die Konsequenzen zieht.

Ob das passieren wird? Wohl eher nicht, weswegen meine übliche Blog-Schlussformel diesmal wohl reichlich sibyllinisch klingt:

Fortsetzung folgt.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Lotta - das Hund (Montag, 22 März 2021 21:27)

    Interesssante Diskussion zu den Zielgruppen - wenigstens wird in Augsburg noch mobil geimpft. Da erinnere ich mich an des uralte Zitat: Rentnertod löst Wohnungsnot.
    Wir brauchen halt einen Mann wie den Bergdoktor und ruckzug würde die Pandemie am abendlichen Alpenhimmel im Sonnenuntergang verglühen.