Urlaubstagebuch V

Auch schon ein paar Jahre her: Ich im Cockpit eines Tornado-Trainingssimulators.
Auch schon ein paar Jahre her: Ich im Cockpit eines Tornado-Trainingssimulators.

Ein unglaublicher Zufall

Es gibt so Sachen, die gibt es gar nicht. Zufälle, die so unwahrscheinlich sind, dass sie einem kein Mensch glaubt. Und trotzdem gibt es sie. Ein Exemplar dieser Kategorie habe ich in dieser Woche in La Morra erlebt, am Montag, auf dem Markt. Warum ich das erst heute, fast eine Woche später, im Blog schreibe? Weil ich vor lauter ungläubiger Aufgeregtheit vergessen habe, die Hauptperson zu fragen,ob ich sie im Blog erwähnen darf oder nicht: Die DSGVO grüßt herzlich! Nun habe ich ihn erreicht. Er will nicht mit Namen im Internet stehen, was zu respektieren ist.
Aber ich kann die Geschichte auch so erzählen. Also...
Am vergangenen Sonntag, 3. Juni, bin ich abends in La Morra angekommen. Am Montag waren erst mal die Vorräte aufzufüllen. Der Montag ist der optimale Tag dafür, denn da ist Markt in La Morra. Ein paar Gemüse- und Käsestände, ein „rollender Metzger“ mit leckerer Porchetta, Haushaltswaren, Klamotten, Eisenwaren. Es kommen immer eine Menge Leute aus dem Ort und den umliegenden Frazioni zum Markt. Und natürlich auch Touristen und Urlauber, die hier die Vorräte auffüllen, Brotzeit machen oder einfach nur bummeln und gucken.
So war es auch am Montag, und ich „steuerte“ Enzo zwischen den vielen Menschen durchs Gewimmel. 
Auf andere Marktbesucher achtete ich nicht — und mir wäre der Herr in Jeans und dunkelgrünem Polo auch nicht aufgefallen. Plötzlich hörte ich jedoch eine Stimme hinter mir: „Ja, wenn das nicht der Oberleutnant Mitulla ist!“ Reagiert habe ich nur auf den Namen. Ich drehte mich um und sah ins Gesicht des Mannes. Ich muss ziemlich blöde geglotzt haben, den mein Gegenüber musste lachen und mir auf die Sprünge helfen: „Weißt du nicht mehr? Sardinien? Decimomannu? Wehrübung?“
Tatsächlich begann es mir zu dämmern. In einem früheren Leben hatte ich im Jahr 2002 eine Wehrübung bei der Luftwaffe gemacht. In deren Verlauf kam ich auch für einige Tage nach Decimomannu — mit der guten, alten C-160 Transall, die damals schon ausgemustert sein sollte, aber bis heute noch in Bundeswehrdiensten in der Luft unterwegs ist. In Decimomannu absolvierten wir damals ein Besichtigungs- und Trainingsprogramm. Mir bleibt unvergessen, wie ich mich vor der Küste Sardiniens aus einem — tatsächlich von zwei Marinesoldaten gesteuerten — Boot ins Mittelmeer schmeißen musste, um anschließend von einem UH-1D-Hubschrauber mithilfe der Winsch (Seilwinde)  „gerettet“ zu werden. 
Mir ist noch gut in Erinnerung, dass damals auf Sardinien 38 Grad Lufttemperatur und und fast 80 Prozent Luftfeuchtigkeit herrschten und ich in meiner wasserdichten Pilotenkombi mit Helm fast eine Stunde in der prallen Nachmittagssonne auf dem Kai stand und auf den Beginn meines Trainingseinsatzes „Überleben See“ wartete. Nach dessen Ende schüttete ich  je einen Liter Wasser aus den Plastkstiefeln, die fest mit der Pilotenkombi verbunden sind. Der Leitende fragte mich damals, ob alles klar sei, und ich äußerte die Vermutung, die Kombi sei im Wasser nicht ganz dicht gewesen. Die Reaktion war  nur Gelächter. Denn in der Tat war es mein eigener Schweiß, den ich da auf der Hafenmole auskippte. 
Und der Typ, der damals so lachen musste, steht jetzt in La Morra auf dem Bauernmarkt vor mir. Zugegeben: Wir hatten nicht nur gemeinsame Erinnerungen an das Überlebenstrainung, sondern auch an angenehme Geschehnisse wie Ausflüge ans Meer und opulente Abendessen im Hafenviertel von Cagliari. Aber wiedererkannt hätte ich den Mann nie im Leben.
Und wie kam er überhaupt auf den Marktplatz nach La Morra? Die Geschichte ist schnell erzählt. In seinen Dienstjahren auf Sardinien war mein Kamerad, der jetzt schon einige Jahre im Ruhestand ist, zuletzt auch Verbindungsoffizier zum 3.  Bersaglieri-Regiment (Brigade Sassari), das seit 2009 auf Sardinien stationiert ist. Alte Bekannte von dort wollte er auf einem „raduno“ treffen, einer Traditionsveranstaltung, die alljährlich in Alessandria, also nicht weit von La Morra, stattfindet. Er war  früher angereist, um sich das Piemont noch etwas anzusehen. Das führte ihn nach La Morra, auf den Marktplatz und in meine Nähe.
Leider blieb an diesem Montag nicht allzu viel Zeit, um Erinnerungen auszutauschen. Die Verbindung, Ergebnis eines schier unglaublichen Zufalls, dessen Wahrscheinlichkeit vermutlich kaum auszurechnen ist, wollen wir aber nun nicht mehr so ohne weiteres abreißen lassen. Wir treffen uns wieder. 
Fortsetzung folgt.

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Kommentare: 1
  • #1

    Livia (Samstag, 09 Juni 2018 23:41)

    Es gibt keine Zufälle! Es ist alles festgelegt und so geschieht es auch dann. Tolle Geschichte! Weiterhin buon divertimento