Gassigehen

Gassigehen kann Spaß machen. Muss es aber nicht.
Gassigehen kann Spaß machen. Muss es aber nicht.

Die Entdeckung der Langsamkeit

In der grauen Vor-Enzo-Zeit lief zum Thema „Gassigehen“ immer ein Film vor meinem inneren Auge ab: Wenn sich Herrchen mit Leine und Halsband nähert, sitzt Hundchen bereits fröhlich winselnd underwartungsvoll schwanzwedelnd an der Türe. Dann geht es hinaus auf einen langen Spaziergang, auf dem der Hund zufrieden und Herrchen immer fitter wird.
Die Realität mit Enzo sieht ganz anders aus. Er ist die Verkörperung des Spruchs „fauler Hund!“. Also nix mit fröhlich winseln, nix mit Schwanzwedeln (geht gar nicht, weil Frenchies keinen Schwanz haben). Und nein, sie sind nicht coupiert. Denn das ist erstens verboten und zweitens barbarisch. Enzo freut sich also nicht, wenn Herrchen mit der Leine naht, sondern versteckt sich unterm Tisch, ignoriert  das Locken mit dem Leckerli und will erst mal aus dem Haus getragen werden, bis um die erste Ecke. Dann geht es einigermaßen mit dem Gassigehen. Wobei der Hund sein eigenes Tempo hat. Er hat keinen Termin, er hat keine Verabredung. Er hat Zeit, und Herrfchen macht eine quasi literarische Erfahrung: Die Entdeckung der Langsamkeit.
Da muss zuerst Mal der richtige Platz für Bächlein und Häufchen erschnuppert werden. Kann dauern, denn der Hund hat da spezifische Vorstellungen. Ist das erledigt, warten am Wegesrand Blätter, abgefallene Äste, die „Hundezeitung“ am Laternenpfahl, Grashalme zwischen Pflastersteinen und (Pfui! Aus!) weggeworfene Zigarettenkippen und... Nicht zu vergessen die funkelnden Scherben der Flaschen, die irgendwelche Blödmannsgehilfen am Boden zerdeppert haben. Der Hund findet sie interessant.
So wird, um weiterhin philosophisch zu bleiben, der Weg zum Ziel, und die Fortbewegungsgeschwindigkeit sinkt deutlich. An der Uni werden Zeitangaben ja oft „cum tempore“ gemacht, also mit jenem „akademischen Viertel“ erlaubter Verzögerung. Ich habe jetzt die Zeitrechnung „cum Enzo“ (c. E.) eingeführt.  Die ist etwas ausufernder als c. t. und wird von der Umwelt nicht notwendigerweise verstanden und akzeptiert. Beispieldialog mit Frauchen:
- „In 20 Minuten gehe ich Mittagessen. Kommst Du?“
- „Ich hab‘ den Hund, kann dauern.“
- „Wieso, von Zuhause läufts du doch nur 20 Minuten in die Stadt.“
- „Ich hab‘ aber den Hund.“
- „Na gut, dann halt in ‘ner halben Stunde.“
Also Abmarsch. Bächlein. Häufchen. Grasbüschel. Hundezeitung. Blättchen. Kippe (Pfui! Aus!). Natürlich begegnen wir auch anderen Hunden, mit denen Enzo sich austauschen muss. Und nicht zu vergessen die Pausen, die der entspannte Hund einlegt, um sich zu erholen und die gesammelten Eindrücke geziemend zu verarbeiten. Zum Beispiel auf der Fußgängerinsel inmitten der Schleifenstraße. Deren Überquerung dauert c. E. folglich zwei Ampelphasen. Und Frauchen wartet währenddessen im Restaurant.
Durchaus erwähnenswert ist hier auch die Begegnung mit Leuten - vorwiegend mit solchen weiblichen Geschlechts. Da bringt sich Karl Valentins Satz „Der Mensch an sich ist gut, nur d’Leit san schlecht“ in Erinnerung. Ich gebe gerne zu, gegen das im höchsten Babysprech-Falsett vorgebrachte „Uiiiiii, ist der süüüüüß!!!“ eine gewisse Aversion entwickelt zu haben. Denn die Begeisterung kostet wieder fünf Minuten Herzen und Kosen. Während Frauchen im Restaurant wartet. Aber auch Ali und Hakan sind mit ihrem „Wird den Kampfhund, ey?“ nicht von schlechten Eltern. Und nein, Hakan, das wird kein Kampfhund. Enzo ist zwar Bulldogge, aber eine französische. Und die kämpfen nicht, die sind lieb!
Aus dem 20-Minuten-Weg sind also c. E. 47 Minuten geworden. Aber Frauchen wartet ja im Restaurant. Hungrig. Das ist Herrchen auch, nur Enzo nicht, denn der hat sein Mittagsfressi ja noch zuhause verputzt. Nun liegt er unterm Tisch, pennt und freut sich auf den Heimweg. Herrchen nicht ganz so sehr, denn das kann wieder dauern.
Fortsetzung folgt.


Was auch immer am Wegesrand steht — es muss begutachtet werden.
Was auch immer am Wegesrand steht — es muss begutachtet werden.

Kommentar schreiben

Kommentare: 4
  • #1

    Micha (Freitag, 09 März 2018 18:11)

    Du hast die Perspektive des Erzählenden gewechselt ��

  • #2

    Enzo de la couronne (Freitag, 09 März 2018 18:29)

    Wuff, Micha!

  • #3

    Claudia (Freitag, 09 März 2018 19:35)

    Vielleicht erzählt ja Enzo bald was zur Weinprobe...

  • #4

    Enzo (Samstag, 10 März 2018 00:25)

    Hab ich doch schon, wuff!